So, da sitze ich also mit einem Yakuzaboss, der so aussieht wie die asiatische Version von Atze Schroeder, splitterfasernackt in einem Rotenburo (Aussen-Onsen) vor seinem Haus, irgendwo in der Pampa zwischen Tokyo und Saitama. Eine Dame mittleren Alters betritt den Raum. Ich befuerchte schon das Schlimmste, da zerstoert sie meine Illusion und sagt, das wir gefaelligst zum Abendessen kommen sollen. Gut, nichts wie raus aus dem Wasser, rein in die Klamotten und ab ins Speisezimmer. Und siehe da, die zuvor finster dreinschauenden „Bademantel“-Kollegen haben sich in Dressmaenner im feinsten Zwirn verwandelt und sitzen schon am langen Tisch. Da ist ganz sicher kein Anzug unter 1000 Euro dabei.
Aeltere Damen im Kimono tragen typisch japanische Speisen auf. Bierflaschen werden geoeffnet, teurer Sake macht die Runde. Die Gespraeche werden immer lauter, bis dann nach einiger Zeit die Aufmersamkeit auf mich faellt. Fragen werden gestellt. Immer dieselben Fragen, die ich in Japan schon 1000mal gestellt bekommen habe: Wo kommst du her? Was willst du hier? Wann gehst du wieder zurueck? Wie lang ist dein Penis? Und nach der Antwort auf diese Frage: Aber
der ist doch sicher zu gross fuer japanische Frauen, oder? Und so weiter.....
Ploetzlich unterbricht Atzu den froehlichen Reigen: „Leute, es ist Zeit fuer Karaoke!“ Fuck! Ich hasse Karaoke! Abgrundtief! Es ist immer dasselbe! Wenn ich mit meiner Familie zum Karaoke „gezwungen“ werde, heisst es auch immer: „Ach komm, du brauchst doch garnicht singen. Die Kinder singen und du kannst was essen!“ Ihr ahnt es schon: Die Kinder fressen als ob es kein Morgen gaebe und ich muss singen! Ich hasse es!
Mein energisches „NEIN!“ wird von der Menge nicht akzeptiert. Ich muss singen, das ist Ehrensache! Na gut, schlimmer kann es nicht kommen.Geb her das Mikro!
Ich sollte den Tag nicht vor dem Abend loben..........
Atzu gesellt sich zu mir, ich rechne schon mit dem Schlimmsten, doch es kommt noch schlimmer: Die ersten Takte „Moskau“ von der weltbekannten und von allen geliebten Popgruppe Dschinghis Khan erklingen! OmG, wie habe ich die gehasst! Und es ist mit den Jahren nicht besser geworden. Atzu steigt voll mit ein und zerrt an mir wie ein Baer an seiner Beute. Jetzt soll ich auch noch tanzen, oder wie? Ich gebe jeden Widerstand auf und schmettere „Moskau“ aus voller Kehle, dazu bewege ich mich arythmisch gegen den Takt, im Duett mit Atzu. Bitte lieber Gott, lass es nicht die Maxiversion sein, ich gehe auch von jetzt ab jeden Sonntag in den Schrein. Tut mir leid, aber Kirchen haben wir hier nicht. Nach 3 Minuten hat die Qual ein Ende, Atzu
steigt sichtlich befriedigt von der Buehne, seine „Untergebenen“ sparen nicht mit Applaus.
Es folgt ein buntes Potpourri aus japanischem J-Pop und amerikanischen Liedgut. Einer singt sogar Celine Dion’s Titaniclied. Wenn ich nur daran denke, bluten mir noch heute die Ohren. Ich betaeube meine Schmerz mit reichlich Atzukan (heisser Sake).
Nach und nach kippen die Gesellen um. Es ist tatsaechlich „nicht nur ein Spruch“: Die Japaner saufen wirklich bis zum Umfallen! Nach 2 Stunden ist der Zauber vorbei und ich verabschiede mich vom harten Kern, der bis zum Ende durchgehalten hat. Atzu besteht darauf, mich persoenlich nach Hause zu fahren, obwohl er sicherlich ca. einen Liter Sake intus hat. Mein Flehen nach einem Taxi wird nicht erhoert. Naja, ich hab den Abend ueberlebt, was soll da jetzt schon noch passieren? Atzu hat reichlich Muehe sein Raumschiff auf Kurs zu halten. Ich erinnere ihn freundlich daran, es mal mit Licht zu versuchen, schliesslich ist es 2 Uhr Nachts.
Irgendwie schaffen wir es bis nach Meidaimae, Atzu steigt mit aus, haut mir mit Schmackes auf die Schulter, bietet mir seine Hilfe an falls ich irgendwelche Schwierigkeiten habe und verabschiedet sich mit einem sauber gelalltem: „Jaa Mata ne!“ Sagt’s, klettert zurueck in seine amerikanische Schwanzverlaengerung, legt einen ordentlichen Kavallierstart hin (direkt vorm Koban....) und laesst mich tief verstoert zurueck. Kurzer Check: Alle Finger sind noch dran, Analjungfrau bin ich auch noch und ein Ganzkoerpertattoo haben sie mir auch nicht verpasst.
Immer dieses Geschwaetz! So schlimm sind die doch gar nicht, die Yakuza...................
© Samurai Biker
und der nächste Schritt.. Meister Atzu fragt den Samurai Biker um eine Gefälligkeit.. ;-) wetten? .. vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen..aber eines tages.. ne; godfather?!
AntwortenLöschen@Felix
AntwortenLöschenIrgendwie befuerchte ich das auch. Oje, auf was habe ich mich da wieder eingelassen........
Hat er sich noch nicht gemeldet?
AntwortenLöschenBetimmt fällt es ihm und seinen Freuden schwer ein passendes Tattoomotiv für dich zu finden... irgendwas mit Deutschland und großen Penis verbunden mit Drachen und so... hoffe du zeigst uns später das Geschenk. :p
@Ernst
AntwortenLöschenEin Tattoo steht sowieso an. Mindestens um die "Jugendsuenden" kuenstlerisch zu verdecken. An einen grossen Penis habe ich da eher nicht gedacht. Das waere ja das gleiche als wenn auf dem Etikett einer Bierflache eine Bierflasche abgebildet waere.
Eher schon was typisch Japanisches, wie: Hello Kitty, Doraemon, Super Mario, oder so...
Wie waer's denn mit Pikachu oder Pokkemon?
AntwortenLöschenGruess Dich. Heute zum ersten Mal auf Deinem Blog gelandet - sehr unterhaltsam muss ich schon sagen. Und dann noch als germanischer Biker hier drueben und ein Freund von Jack in Tokyo!!!
Na, ich werde wohl noch oefters hier erscheinen,
Gruesse aus dem verregneten Shikoku,
Klaus
http://virtulanguage.com
http://japanlife.over-blog.de
ich würde was russisches tätowieren.. Russen sind in Japan immer beliebt..
AntwortenLöschenhallo Klaus, grüss mal meine Schwiegereltern von mir (die sind in kagawa zuhause ;-) ist ja ganz nahe von Ehime-ken)
Mann o mann das war ja ein toller Dreiteiler. Zum Thema Tattoo und Hello Kitty als Motiv kann ich nur feststellen das Du entweder deinen Kindern nichts abschlagen kannst, oder zu lange schon in Japan lebst I,D
AntwortenLöschenAnal-Jungfrau diese Wortschöpfung ist mir neu, freut mich aber das da noch alles im Originalzustand ist ),D Gibt es denn tatsächlich homoerotische Tendenzen bei den Yakuza's ? Dachte das diese berufsmässigen Machos sich eher in Heterosexuellen Omnipotenz-Phantasien ergehen.
Auf jeden Fall eine tolle Geschichte, in deinem wunderbaren unverkrampften Erzählstil. Gerne mehr davon, musst Dich ja eh noch revanchieren für den tollen Abend ),D
Na wir wissen doch, dass gerade die "härtesten" Kerle besonders schwer mit/gegen ihre/r eigenen Identität zu kämpfen haben.
AntwortenLöschenAber die Yakuza/Mafia generell als bückfreudigen Haufen darzustellen würde ich nun auch nicht wagen.. wer weiß wer hier mitliesst(Hi Atzu altes Haus!) oder Coolio nicht schon längst einen Finger weniger hat (er schreibt ja auch weniger hin und wieder?!).
@ Coolio. Doraemon Hand in Hand mit Hello Kitty auf Blumenwiese!
@Alle
AntwortenLöschenDanke fuer die zahlreichen Kommentare. Ihr ermutigt mich immer wieder zum Weiterschreiben.
@Klaus
Herzlich willkommen!
@Heydal
Und du mein lieber Freund, kommst nach Japan ohne mir Bescheid zu sagen. Dabei hab ich extra fuer dich besseres Wetter bestellt....
@Ernst
Mach dir keine Sorgen. Im Notfall hat Atzu mit seinen 50Kg totem Fleisch keine Chance gegen 90Kg schlechte Laune........
Wer sich für Yakuza und Tatoos und so interessiert, "Japan nach Sonnenuntergang" ist ein toller Bericht von einem deutschen, der unter Tagelöhnern in Japan zu überleben versucht hat und dieses Mileu hautnah erlebte.
AntwortenLöschen@Angelika
AntwortenLöschenJa, ganz klar ein Klassiker fuer alle Japanfans. Mit deutlicher Sprache fuehrt der Author durch die "dunkle" Seite Japans, ohne dabei so ein niveauloses "Japan Bashing" zu betreiben, wie es unser aller Freund Dr. Noiman in seinem Schmoeker getan hat. Ganz klar eine Empfehlung wert. Danke