Ist das Leben nicht wunderbar? Eingestellt von um 13:13 Donnerstag, 28. April 2011

Sie fast mir mit beiden Haenden energisch an die Schultern und schuettelt mich durch. „Komm du Hengst, zeig mir deine Gaijinpower!“ Es ist Haruka Ayase, meine Goettin! Bitte lieber Gott, lass es nur einmal keinen Traum sein! Ich werde auch jeden Abend auf dein Wohl trinken und nicht nur auf meins. Und so. Ehrlich!

Um mich herum wird es hell. Zu hell. Aus zusammengekniffenen, von Schweiss verklebten Augenwinkeln kann ich langsam eine Gestalt ausmachen. Es wird immer heller, die Gerauesche um mich herum veraendern sich. Die Konturen der Gestalt werden deutlicher. Es ist nicht Haru Chan. Danke Gott! Es ist der Zugbegleiter der Keio Shinjuku Linie, der mich hoechst unsanft aus meinen romantischen Traeumen holt. „Los, aufstehen Mann!“ Mensch, haette der nicht noch 5 Minuten warten koennen, dann haette ich Haru Chan sicher soweit gehabt! Immer dasselbe! Ich bin mal wieder im Zug eingepennt.

Ich stolpere aus dem Zug, strecke mich und hole tief Luft. Grosser Fehler! Schliesslich bin ich mitten in den Bergen. Am Takao san. Die gesunde Luft ist zuviel fuer mich, blitzartig wird mir uebel. Ich rette mich mit einem eingedrehten Doppelachsel an den Recyclingbehaelter und kotze meinen kompletten Mageninhalt in den Schlitz fuer Restmuell. Na, da wird sich die Putzfrau aber freuen. War ne gute Mischung.......

Noch benommen lalle ich den Zugbegleiter an, ob ich mich nicht einfach wieder hinsetzen und zurueck zu meiner Station fahren kann. „Sorry, letzter Zug. Der hier faehrt jetzt ins Depot.“ Na klasse! Was mache ich denn jetzt? Taxi? Nope, zu teuer! Schliesslich bin ich ca. anderthalb Autostunden von Meidaimae entfernt. Draussen schlafen? Ich bin zwar besoffen und nicht so der aengstliche Typ, trotzdem entscheide ich mich gegen die kuschelige Holzbank vorm Bahnhof. Ist auch nicht unbedingt warm hier in den Bergen.

Die Einsicht bereitet mir Schmerzen, aber mir bleibt wohl nur eine Option: Love Hotel. Unter Ausnutzung der gesamten Buergersteigbreite, schwanke ich meinem Ziel entgegen, dem „Lonesome Hearts“-Bumshotel. Wie treffend. Uebersehen kann man es kaum. Neonbeleuchtete Zeiger fuehren einen praktisch in die „Empfangshalle“. Ein paar Autos stehen auf dem Hof, scheint aber nicht allzuviel los zu sein. Umso besser. Geduckt schleiche ich mich hinein. Klasse, ausgerechnet heute muss ich ein Bumshotel erwischen, in dem kein Automat die Schluessel rausgibt, sondern eine halbwegs menschliche Person.

Mit letzter Kraft schleppe ich mich an den Schalter. Gottseidank trennt die arme Person eine verspiegelte Trennscheibe von meinem Atem. Ich kann nur zwei Haende sehen. Eindeutig ein Mann. Naja, oder eine pensionierte Catcherin, wie in Murakamis Roman. Welcher? Findet es selbst heraus! Ich entscheide mich fuer die „Heartful relaxing suite“. „Rest or Stay?“ Eigentlich will ich mich ja wirklich nur ausruhen, aber das ist mit „Rest“ wohl eher nicht gemeint. Also “Stay”. 7500 Yen. Ich lege 10000 Yen auf das Schalterbrett, nehme Wechselgeld und einen abgewetzten Schluessel an mich und schwanke Richtung Aufzug. 3. Stock.

Im Gang kommt mir eine Putzfrau entgegen. Ihrem Gesicht nach zu urteilen, musste sie grad eine ziemliche Schweinerei wegmachen. Warnend schaut sie mir ins Gesicht. Keine Angst Oma, ich lass die Haende ueber der Bettdecke. Schnaufend erreiche ich meine „Heartful relaxing Suite“ und oeffne die Tuer. Ein schwer zu beschreibender Geruch schlaegt mir entgegen. Das ganze Zimmer ist mit Herzen dekoriert, sogar das mit schwarzer Folie verklebte Fenster ist ein grosses Herz. An der Decke haengt eine grosse Spiegelkugel, die sich aechzend in Bewegung setzt, als ich den Lichtschalter betaetige. Die kleinen aufgeklebten Spiegel sind natuerlich auch in Herzform und werfen deshalb zig wabernde Herzen auf die Tapete. Wenn ich nicht schon am Bahnhof meine saemtlichen Eingeweide ausgekotzt haette, waere wohl jetzt der richtige Zeitpunkt dafuer gewesen.

Ich entscheide mich dazu, meine Schuhe anzubehalten. Wer weiss was sich vorher auf dem pinken Plueschteppich mit lauter roten Herzen drauf abgespielt hat. Ich steuere traege wie ein Oeltanker auf das Bett zu. Ihr habt es schon erraten: Auch in Herzform! Ja, Barbie wuerde sich hier sehr wohl fuehlen. Und Ken erst. Ich werfe mich ohne grosse Umstaende aufs Bett. Ach du lieber Gott! Ein Wasserbett! Das hat mir noch gefehlt! Ich klaube Kissen und Decken zusammen und schmeisse mich auf den Boden. Der eigenartige Geruch ist mir jetzt voellig egal, ich will einfach nur noch pennen.

Als ich da so liege, kommt mir noch in den Sinn, das, wo ich doch jetzt schonmal in einem Lovehotel bin, eigentlich ein bisschen an mir selber rumfummeln koennte, aber

es dauert weniger als 10 Sekunden, da falle ich in einen tiefen Schlaf, nahe an der Grenze zur Bewusstlosigkeit. Gute Nacht Coolio. Gute Nacht Haru Chan.....