Willkommen im
neuen Jahr, oder wie die Japaner sagen: Akemashite omedeto gozaimasu! Mein
Jahreswechsel war landestypisch ruhig. Anstatt mir, so wie die meisten von
euch, literweise Fusel hinter die Binde zu gießen, um das neue Jahr zu begrüßen,
habe ich still in meiner Bude gehockt. Und ja, ich habe mir das vollkommen
bescheuerte NHK-Programm zum Jahreswechsel angeschaut. Meine echte Grippe
(Influenza-A type) und das daraus resultierende Fieber machten es möglich.
Angesteckt habe ich mich bei meinem Sohn, der sich in seiner Bakterienzucht,
auch Kindergarten genannt, irgendwo angesteckt hat. Er hatte, dank seiner (theoretischen)
50% asiatischen Gene, die Sache in 3 Tagen durch. Ich, dank meiner 100% deutschen
Gene, hatte 3 Wochen Spaß damit.
Nun gut, alle
verlogenen und unrealistischen Vorsätze mal beiseite gefegt, was wird uns das
Jahr 2013 bringen? Nein, die Frage ist schon im Kern falsch. Was wird 2013 MIR
bringen? Ihr wohnt ja in der Mehrheit im sozial abgesicherten Hafen
Deutschland, bzw. Europa. Warum lacht ihr? Ihr MÜSST nicht unbedingt arbeiten
um zu überleben, oder?
Hier in Japan
sieht das schon ganz anders aus. Klar, eine unverheiratete Mutter mit Kindern lässt
man hier auch nicht verhungern, aber das diese Frauen arbeiten müssen, um
einigermassen über die Runden zu kommen, ist die Realität, mit der sich nicht
nur meine japanische Exfrau auseinandersetzen muss. Tja, sobald man nicht mehr
auf der Sonnenseite des Kapitalismus lebt, wird es in Japan echt schwierig.
Klar, viele Frauen hier haben irgendetwas studiert, sind aber im Arbeitsleben
meistens nur Sekretärin oder Schreibkraft. Für studierte Singlemamas mit
Kindern sieht es noch böser aus. Wenn sie dann einen Job als einfache Sekretärin
finden, verdienen sie meistens so um die 1300 – 1500 Yen die Stunde. Hört sich
doch gut an? Haha, kennt ihr die Mietpreise in Tokyo? Oder die
Lebensmittelpreise? Wohlgemerkt, ich schreibe hier spezifisch ueber den Großraum
Tokyo. Obwohl es in Restjapan auch nicht viel anders aussieht.
Schlimm ist, das
besonders Kinder darunter zu leiden haben. Nein, nicht mein Kind. Ich rede von
den Kindern, dessen Papa sich aus dem Staub gemacht hat und deshalb keinen
Unterhalt zahlt. In Japan eher die Regel. Ist es doch möglich, sich durch einen
einfachen Umzug in eine andere Präfektur, so gut wie unsichtbar zu machen. Das
ist auch ein Grund, warum so viele geschiedene Frauen in Tokyo, ihre
geschiedenen Männer aber in Yokohama (Präfektur Kanagawa) leben. Die Papas
haben damit noch alle angenehmen Seiten einer Metropole, können praktisch immer
auch in Tokyo weiterarbeiten, können sich aber auch sehr easy dem Zahlen von
Unterhalt entziehen. Hilfreich ist auch, das man in Japan ziemlich einfach
seinen Namen ändern kann. Ein anderes Kanji im Vorname und schon ist man praktisch
unauffindbar. Willkommen im Hightechland Japan.
Zurück zum
eigentlichen Thema: 2013. Die Politik in diesem Jahr lässt auf nichts gutes
hoffen. Die neue (alte...) Regierung predigt lautstark, sich auf alte Tugenden
zu besinnen. Welche Tugenden? Abkanzlung? Kriegsgeilheit? Samuraiehre? Wohl
eher das typische Gruppenverhalten der Japaner. Als Ausländer fragt man sich
immer wieder, wieso die Japaner sich offensichtlich absichtlich immer weiter
ins Abseits wählen. Fast scheint es so, als ob in den Wahlkabinen dasselbe abläuft,
wie z.B. an Donutshops in Tokyo: Da stehen so viele an, das muss ja gut sein.
Da stell ich mich auch an.
Mir wird unwohl,
wenn ich höre das Japan Kampfflugzeuge zur Überwachung der umstrittenen
Senkakuinseln aussendet. Mir wird auch unwohl, wenn ich fühle, das immer mehr,
selbst gebildete Japaner, offen ihren Hass auf Koreaner und Chinesen
herausposaunen. Im Gegenzug will sich die neue Regierung aber noch weiter mit
den Amerikanern verbünden. Es scheint, das die meisten Japaner immer noch nicht
kapiert haben, das neben den Japanern selbst, nicht die Chinesen oder Koreaner
das meiste Unglück über Japan gebracht haben. Für den umworbenen „Verbündeten“
ist Japan doch nichts weiter als eine GI-Joe-Vergnügungsinsel und ein
Langzeitversuch nach den „Atombombentests“ im 2. Weltkrieg. Mal ernsthaft drüber
nachdenken......
Ich mache mir
ernsthafte Sorgen um meine Wahlheimat. Weniger um meinen Job. Klar, auch im
Business weht einem ein stärkerer Wind entgegen, aber mein Job ist ziemlich
sicher. Viele andere Handelsunternehmen sind in den Unruhen nach der Katastrophe
untergegangen. Weniger Konkurrenz = Mehr Arbeit für uns. Auch der fallende Yen
hilft. Mittlerweile pendelt der Euro so um 115 Yen. Nein, das liegt nicht
daran, das es dem Euro besser geht. Leider.....
Über die sozialen Misstände in Japan weiß unsereins ja so ziemlich null, daher danke für den kleinen Einblick.
AntwortenLöschenDie politischen Auswüchse bekommt man aber sogar hier mit. Weltweit wächst ja leider in vielen Staaten die nationale Ausrichtung aber Japan hat da wieder ein paar besonders widerliche und vor allem dumme Kandidaten an der Macht, wirklich traurig. Versuchen da wieder große Köpfe zu kurz gekommene Regionen zu kompensieren?
Die "liebe" zu Amerika dient ja auch nur der Rückenstärkung damit man weiter Richtung China/Korea stänkern kann denke ich.
Fairnesshalber muss man aber sagen, dass sich in der Region viele Staaten (und deren Bürger) nicht viel nehmen im Hass auf den/die Nachbarn.
Irgendwie ein sehr düsterer erster Post im Jahr 2013, aber man braucht ja auch nichts schön reden. Dass der Yen momentan nicht mehr so gut steht, nervt.
AntwortenLöschenIch wünsche an dieser Stelle - extrem spät - ein FROHES NEUES!
Ich habe auch eher besinnlich ins neue Jahr gefeiert - und zwar in Okinawa.
Moin Coolio,
AntwortenLöschenalso wenn man bei euch als einfache Sekretärin 1300 – 1500 Yen die Stunde verdient und der Yen so um 1.15 Euro pendelt, dann lasse ich mich geschlechtsumwandeln und verdiene mir in sechs Wochen genug für den Rest meines Lebens. Schick mir doch bitte schon mal Links zu Jobangeboten, ich bin demnächst bei dir und lad dich zum Bier, Sake oder sonstwas ein.
Herzliche Grüße von Johannis aus Dortmund
Immer diese Spitzfindigkeiten. ;)
LöschenYep, hast ja recht. Schon geändert. Schuld ist die firmeninterne Sprachregelung: "Der Yen (100 natürlich...) steht bei 1.15 Euro." Außerdem kann man sich als Deutscher doch ruhig mal um den Faktor 100 vertun. Was den deutschen Politikern recht ist.....
LöschenSo baut man bei uns Fughäfen.. bzw. versucht es.
LöschenDer Flughafen BER ist doch harmlos.
LöschenDie neue hamburger Elbphilharmonie war mit ursprünglich
77 Mio. Euronen geplant und sollte 2010 eröffnet werden. Nun wird sie knapp 650 % teurer (nämlich 575 Mio.) und frühestens 2014 (manche sagen 2017) fertig.
Ganz ehrlich; würden die das Geld im Ofen verbrennen, könnte man wenigstens noch Heizwärme erzeugen.
Bei Flughäfen schlampt man auch in Österreicht gern. :-)
LöschenDie japanische Außenpolitik wird jedenfalls spannend. Hoffe doch, dass nicht doch noch ein Krieg folgt...
Moins der Herr und nachtraeglich mein Beileid .... eh ein frohes neues Jahr wollte ich sagen!
AntwortenLöschenJaja, wir als Japano-Teutsche, wir haben's nicht leicht!! Und es wird noch schwerer werden, denke ich mal so ganz still in meinem Kaemmerlein. Der Euro wird immer teurer fuer uns - nix is mehr mit mal eben nach Germanien jetten, koennen wir uns nicht mehr leisten. Also heisst es: bleib im Land und naehre Dich redlich (oder war es vermehre Dich redlich??).
Dennoch - auch da kommen wir durch und es heisst abwarten.
Frohes neues auch fuer dich, Leidensgenosse.
LöschenKlar kommen wir da durch. Schliesslich haette se uns in anderen Laendern ja noch deutlich schlimmer treffen koennen. Und es ist ja nicht so, das ich mir den Flug nach D nicht mehr leisten kann, ich WILL einfach nicht dorthin, wenn es nicht unbedingt sein muss.....
"100 Yen so um 1.15 Euro"
AntwortenLöschenUmgekehrt, 1 Euro sind 115 Yen (heute sogar schon 119)
Yep. Das ist natürlich richtig. Hab's schon geändert. Du siehst also: Gebt mir bloß kein Geld in die Hand......
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