Da stehe ich also nun in der Empfangshalle meiner Firma, die, obwohl wir ganz klar eine deutsche Firma sind, im japanischen Stil eingerichtet ist. Unsere Kunden sind zu 100% japanische Firmen, deshalb frage ich mich manchmal, ob diese nicht lieber eine „typisch deutsche“ Einrichtung sehen wuerden wenn sie uns besuchen. Eventuell will unser Chef aber auch, das sich die Kunden sofort zuhause fuehlen und so eher Vertrauen haben in unsere Firma.
Obwohl ich auf Japanisch gruesse, werde ich in dieser deutschen Firma von den Japanern oft auf Englisch zurueckgegruesst. Naja, damit muss man als Auslaender in Japan wohl leben. Obwohl ich seit 4 Jahren hier arbeite und als einziger Deutscher, bzw. als einziger Auslaender in der Firma garantiert auffalle, scheinen mich die meisten nicht zu kennen, oder koennen sich nicht vorstellen das es moeglich ist, in 4Jahren soweit Japanisch zu lernen, das man zumindest einige Gruesse versteht....
Ich schlendere zu meinem Arbeitsplatz in einem Grossraumbuero. Gottseidank geht es hier nicht so zu wie in einer rein japanischen Firma, das heisst: Hier hat jeder einen ausreichend grossen Schreibtisch und genug „Bufferzone“ zum Tischnachbar. Noch dazu steht es jedem frei sich mittels vorhandener „Absperrungen“ ein wenig mehr Privatspaere zu verschaffen. An meinem Tisch angekommen stelle ich fest das mein Kram nicht da ist. Ein kurzer Blick durch die Reihe, da entdecke ich meinen PC 3 Plaetze weiter links. Unser Buchou (Manager) hat uns also mal wieder umgesetzt um die „Kommunikeschen“ zu verbessern. Das ich jetzt immer quer ueber den Tisch bruellen muss wenn ich irgendetwas von meiner Tippi (Sekretaerin) will, ist ihm offenbar entgangen. Naja, schreib ich ihr halt Emails, oder ich ruf sie an.
9.30 Uhr. So langsam trudeln alle meine Kollegen ein. Die meisten verziehen sich erstmal ins Raucherzimmer, schliesslich gilt es eine Stunde ohne Nikotin wieder aufzuholen. Danach gehts dann ab in die Teekueche auf einen Kaffee und einen Schwatz mit unserer „Kaffeedame“. Schade das ich weder rauche, noch „echten“ Kaffee trinke, so wie „richtige Maenner“ das hier in Japan nunmal machen. Alle meine Kollegen sind branchenfremd, soll heissen, keiner hat irgendwas studiert oder auch nur gelernt, das fuer den Maschinenhandel verwertbar waere. Kleiner Querschnitt durch Abschluesse und Berufsbilder in meinem Department: Antropologie, deutsche Literatur, Master of international Economics, Hubschrauberpilot, Amateurboxer, usw. Das macht den Arbeitsalltag, naja....... interessant. Unser Gruender war der Meinung, das man alles lernen kann. Tja, Problem ist nur das manche schnell lernen, manche langsam und manche garnicht.....
Heute ist Montag, also ist „Start of the week meeting“ in dem nochmal alles Wichtige von letzter Woche und alles voraussichtlich Wichtige von der kommenden Woche bis in die kleinste Einzelheit diskutiert wird . Meiner Meinung nach waere es wichtiger erstmal alle eingetrudelten Emails und Postsendungen zu ueberpruefen, aber sooo einfach geht das hier in Japan nicht, schliesslich muss ja erst jeder Einzelne vom Buchou vorgebetet bekommen, was er diese Woche zu tun hat, obwohl das jeder Einzelne wahrscheinlich deutlich besser weiss als er. So zieht sich so ein Meeting schonmal bis Mittag hin. Natuerlich gibt es auch Wochenabschlussmeetings und Monatsmeetings und Meetings fuer „wichtige“ Entscheidungen und Meetings „einfach nur so“ zwischendurch.
Manchmal glaube ich, das mein Job zu 50% nur aus Meetings besteht. Nun ja, in Japan wird jede Entscheidung immer von der gesamten Gruppe getragen. Das ist insofern gut, das wenn ich mal gehoerig Scheisse baue, mich immer darauf berufen kann das jeder im Team auch davon wusste und deshalb mitschuldig ist. Schlecht ist, das man fuer jeden Fitzel erst die Erlaubnis des Buchou braucht, auch wenn der in den meisten Faellen garnicht kapiert was er da eigentlich unterschreibt.
18 Uhr. Zeit fuer den Feierabend. Zumindest fuer mich. Einige der Kollegen bleiben noch 2-3 Stunden laenger. Was sie in dieser Zeit machen? Keine Ahnung! Emails schreiben sie kaum und Kunden koennen sie in der Regel um diese spaete Uhrzeit nicht mehr anrufen. Vielleicht Rauchen? Oder Kaffeetrinken? Ich weiss es nicht. Bei manchen hat man auch das Gefuehl, sie bleiben nur laenger, um nicht zuhause ihrer Familie zu begegnen. Keiner (ausser mir) hat Fotos seiner Kinder an seinem Platz, nur vom Auto, Motorrad, Hund, Katze, oder so.
Ruhigen Schrittes verlasse ich das Buerogebaeude. Die Japaner hetzen wieder wie die Irren an mir vorbei. Die lernens echt nie! Diesmal keine Chance auf einen Sitzplatz im Zug. Ich versuche also mich unters Geblaese zu quetschen. Um mich herum ist wieder alles voll mit OL’s, aber diesmal bin ich einfach zu muede um mich darum zu kuemmern.
Fortsetzung folgt.......
© Samurai Biker
Hubschrauberpilot und Amateurboxer, das sind sicher interessante Firmenfeste die Ihr da feiert ),D
AntwortenLöschenich verstehe langsam warum du deinen kick bei der Yakuza und Motorradfahren suchst....
AntwortenLöschenAch, Yakuza und Motoradfahren ist doch nur ein Mittel gegen die Midlife-Crisis
AntwortenLöschenWenn man schon liesst: "Um mich herum ist wieder alles voll mit OL’s, aber diesmal bin ich einfach zu muede um mich darum zu kuemmern"
Da wird jemand einfach nur alt!
So ich bin dann mal weg...
*Arme und Beine bilden eine rotierende scheibe*
möchte aber natürlich auch noch erwähnen, dass ich deinen Blog immer wieder aufs neue geniesse ;-) Weiter so! und vielleicht sieht man sich sogar mal in diesem komischen Land
AntwortenLöschen@Ernst
AntwortenLöschenMidlife Crisis? Faengt die nicht schon mit 30 an? Wenn ja, dann hab ich die schon laaaange hinter mir.
@Felix
Jaja, wie schrieb Wilhem Busch einst so weise: "Wer Sorgen hat, hat auch Likoer"........