Oder auch: Kulturschock total umgekehrt.
Tja, da sitze ich nun in meinem Waldverließ...
Kein Vertrauen mehr in die japanische Justiz, kein Vertrauen mehr in Japan. Wegen Corona kaum Möglichkeiten, meinen Job auszuüben, nur Troubleshooting über Videochats ging noch. Horrornachrichten aus der kanadischen Zentrale meiner Firma, 70% der Ingenieure wurden entlassen, weil sie wegen Corona ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen konnten. Da war es mir schon klar, das ich, der am weitesten von Kanada weg war, als nächster dran war. Ein paar Tage später erklärte mir meine Chefin unter Tränen, das man meinen Vertrag leider nicht erneuern konnte. Nach Beendigung der Coronawelle würde man mich aber direkt wieder unter Vertrag nehmen, wann immer das auch wäre. Ziemlich unsicher das.
Brainstorming:
Was habe ich für Möglichkeiten? Während Corona einen neuen Job bei einem ausländischen Unternehmen in Japan finden? Praktisch unmöglich, da praktisch alle Unternehmen während Corona ihre Ressourcen drastisch beschränkt hatten. Selbst Unternehmen wie Mercedes Benz, Airbus, usw. haben ihre HR-Budgets für ausländische Unternehmungen während Corona drastisch runtergefahren. Wo es ging, wurden feste Mitarbeiter wohl oder übel gehalten, aber für freie Mitarbeiter gabs kein Geld.
Bei einer rein japanischen Firma anfangen? Niemals!
Also.... erstmal vom Ersparten leben. Haus war komplett bezahlt, auch sonst hatte ich keinerlei Schulden. Passt schon. Unterstützung vom japanischen Staat, weil man ja Unmengen von Steuern in das System gepumpt hat? Habe mal ausgerechnet, das ich monatlich mehr Steuern und Sozialabgaben hatte, als eine durchschnittliche japanische Familie im Monat verdient. Nope. Einheitliche Aussage: Tja, da müssen sie wohl dahin zurückkehren, wo sie hergekommen sind.
Nach Prozessende hat es keine 5 Minuten gedauert, da hatte ich beschlossen, erstmal nach Deutschland zurückzukehren. Ganz sicher keine Herzensentscheidung, aber eine logische. In weiser Voraussicht hatte ich mit dem Management meiner Siedlung einen Deal gemacht, das sie mein Haus zum Marktwert aufkaufen, falls ich "überstürzt" das Land verlassen muss. Innerhalb von 2 Wochen war dieser Deal abgewickelt, meine Koffer und exakt 22 Umzugskartons gepackt und ich war bereit. Der neue Besitzer wird sich gefreut haben: Habe das Haus komplett renoviert und komplett eingerichtet zurückgelassen. Tja, was soll ich in D mit Elektrogeräten, die auf 100V laufen? Möbel und meine komplett eingerichtete Werkstatt? Astronomisch hohe Transportkosten, weil trotz Transport im Seecontainer alles seefest eingepackt werden musste, also seefeste Holzkiste, von aussen wasserdicht foliert. Beispiel: Der Transport meines geliebten 65 Zoll 4k TVs hätte 750 Euro gekostet. Ja, genau. Nur der Transport meiner 22 Umzugskartons kostete weit über 3000 Euro. Vom Aufwand alles zu verzollen, Batterien zu entfernen, alles ins Kleinste zu deklarieren, usw. will ich erst gar nicht anfangen. Egal, dank dem legendär zuverlässigen Kundenservice in Japan hat alles zeitig geklappt.
Ich war bereit für die Probleme, als Deutscher wieder zurück nach Deutschland zu wollen/müssen. Hätte ich doch einfach nur gesagt, ich bin Flüchtling aus einem Krisengebiet...
Abholung des Flugtickets im JTB Reisebüro:
OL*: "Verehrter Kunde, haben Sie sich die aktualisierten Bestimmungen zur Einreise nach Deutschland angeschaut?"
Ich: "Öhm, ja. Vor ein paar Tagen."
OL: "Nein, verehrter Kunde, die NEUEN Bestimmungen. Sind heute morgen reingekommen."
Ich: "WTF?!?"
Neue Bestimmungen: Japan wird ab heute als COVID-Hochrisikoland eingestuft. Trotz eines negativen Coronatests (PCR), werden Sie nach Ankunft in Deutschland dem Staatsschutz übergeben, der Sie auf eigene Kosten an ein Quarantänezentrum im Bereich ihres neuen Wohnortes überführt, aus dem Sie nach frühestens 14 Tagen durch einen negativen PCR-Test entlassen werden.
Und nochmal: WTF?!?
Uuund... ab ins Auto Richtung Tokyo, auf dem Weg zum Flughafen das Auto einem schmierigen, australischen Händler verkauft, knapp 1000 Euro Gewinn gemacht, aber trotzdem für das Auto, von dem nur 500 Stück gebaut wurden, insgesamt 10.000 Euro zu wenig bekommen. Egal, ab in den Bus zum Flughafen. Im Flughafen für 300!! Euro einen PCR-Test gemacht, dessen Ergebnis in 3 Stunden da sein sollte. Nach 6 Stunden kam das Ergebnis, ca. 1 Stunde, nachdem mein ursprünglicher Flug abgehoben hatte. Die 1000 Euro Autoverkaufsgewinn in den nächsten Flug investiert und ab gings Richtung "Heimat". Nach nur 8 Stunden Aufenthalt im schönen Abu Dhabi ging es weiter Richtung Frankfurt.
Frankfurt Airport, 7 Uhr morgens. Da ich deutlich mehr als die erlaubten 10.000 Euro Bargeld dabei hatte, ALS EINZIGER aus einem Flug voller Goldketten- und Golduhrenscheichs an den Zollschalter. Zollbeamter: "Das Dokument muss ich erstmal suchen." Nach erfolgreicher Anmeldung meines Bargelds, stehe ich nur 2 Stunden später vor dem Einreiseschalter.
Beamter: "Grund des Aufenthalts?"
Ich: "Öhm.... Urlaub... und so."
Beamter: "Ok, alles in Ordnung. Herzlich willkommen in Deutschland."
Ich: "Aber... aber.... Staatsschutz, Überführung, Quarantäne und bla?"
Beamter: "Nächster!"
Und zum 3. Mal: WTF?!?
Wie sich herausstellte, konnte ich einfach so direkt zu meiner vorläufigen Behausung fahren, musste mich selbst unter Quarantäne stellen und innerhalb von 14 Tagen einen Impfausweis vorlegen. Letzte Coronaimpfung max. 3 Monate alt.
Passt!
Ne, warte. Passt doch nicht.
Corona-Meldestelle Thüringen (von Bundeswehrsoldaten geführt...):
Ich: "Hallo, ich soll mich hier mit meinem Impfpass melden. Da. (Lege japanischen Impfpass hin...)."
Soldat: "Was'n das? Ihr Videothekenausweis?"
Ich: "Uhm... nö, mein japanischer Covid-Impfpass. Sehen Sie? Da stehen die Impfpräparate mit Batchnummern, genauso wie im deutschen Impfpass."
Soldat: "Kann ich nicht lesen. Gilt hier nicht!"
Ich: "Aber.... aber.... was?"
Soldat: "Nächster!"
Uuund nochmal... WT... ihr wisst schon.
Nächster Tag im Impfzentrum Thüringen:
Da meine 3 in Japan vorgenommenen Impfungen nicht in Deutschland anerkannt wurden, obwohl es sich um extra in Deutschland teuer eingekaufte und weltweit zugelassene Biontech-Präparate handelte, musste ich mich NOCHMALS der kompletten Prozedur mit dem äußerst vertrauenswürdigen Astrazeneca (Soldatenarzt: Was anderes haben wir hier im Osten nicht mehr, das gute haben alles die Wessies verbraucht...) unterziehen. Alle Einwände, das ich doch schon alle 3 Impfungen mit absolut zuverlässigen Biontechprodukten erhalten habe, blieben ungehört. Nun, Astrazenica it is. Schon nach der ersten Injektion war ich krank wie ein Hund mit 40 Grad Fieber und ich warte immer noch darauf, das mir ein 3. Ei wächst.
6 Wochen später, irgendwo in Thüringen, bekam ich einen Brief von der Forwarder-Spedition in Hamburg:
Ihr Umzugsgut ist im Hamburger Hafen angekommen. Es gibt Probleme bei der Zollabwicklungg. Bitte melden Sie sich beim zuständigen Zollamt. Während der Abwicklung der Zollformalitäten lagern wir ihr Umzugsgut gern kostenpflichtig für Sie ein.
Ooookay...
Anruf beim zuständigen Zollamt:
Ich: "Ja, Hallo. Was ist das Problem? Ich habe doch alle Papiere eingereicht und mein Umzugsgut wurde vom deutschen Zoll als Umzugsgut anerkannt." (Umzugsgut ist von der Einfuhrsteuer befreit)
Zuständiges Zollamt: "Ja, das mag schon sein. Isch brauche aber noch weitere Unterlagen, das sie dauerhaft in Japan gemeldet waren. Kann ja sein das sie dort nur auf nem längeren Urlaub waren. Bitte schicken Sie die erforderlichen Dokumente mit beglaubigter Übersetzung innerhalb von 14 Tagen an uns. Per Einschreiben, Email akzeptieren wir nicht." (Hatte von Japan aus alle nötigen Unterlagen, z.B.: Auszug aus dem japanischen Melderegister, Aufenthaltsnachweis, unlimitiertes Visum, usw. mit beglaubigten Übersetzungen per Email an die vom DEUTSCHEN ZOLL ANGEGEBENE EMAILADRESSE GESCHICKT!)
Gemacht wie gewünscht und nur einen Monat und hunderte mit dem Zoll geführte Telefonate später, konnte ich meine 22 Kartons um 6 Uhr morgens im Starkregen aus dem "wunderschönen" Hamburger Hafengelände abholen. Die Paletten mit den Kartons, von denen jeder das zulässige Gesamtgewicht von 30 kg hatte, wurde von "sehr höflichen und zuvorkommenden" Hafenarbeitern nur 200 Meter vom Leihbulli abgestellt, weil ich aus irgendwelchen, mir unerfindlichen Gründen, nicht an die Rampe fahren durfte. Aah.... Deutschland.
Als nächstes: Ein Auto muss her. Was soll da schon schiefgehen? Anruf bei der Versicherung:
Ich; "Einen wunderschönen guten Morgen. Ich war früher über 20 Jahre Kunde bei Ihnen. Können Sie mir deswegen einen guten Preis machen?"
Versicherungsfachfrau: "Isch kann Sie nicht in unserem System finden. Wie lange waren sie denn im Ausland und wo?"
Ich: "17 Jahre Japan. Ich kann meine Versicherungszeit und Unfallfreiheit lückenlos nachweisen, wenn Sie das wollen."
Versicherungsfachfrau: "Das kann isch nicht akzeptieren. Also, wenn sie jetzt in der USA gewesen wären, dann wäre das was anderes."
Ich: "Aha, verstehe. Obwohl ich dann 17 Jahre keine Rentenansprüche hätte. Und nochmal, ich war über 20 Jahre Ihr treuer Kunde. Lässt sich da denn gar nichts machen?"
Versicherungsfachfrau: "Nein, isch kann da nichts machen. Versuchen Sie es halt bei einer anderen Versicherung."
Aufgelegt
Ok, dann halt Fahranfänger. Mit über 35 Jahren Fahrpraxis. Auf die paar Kröten kommts jetzt auch nicht mehr an. Dicken, natürlich japanischen Diesel, mit dem größten Motor gekauft, weil Diesel kostet ja "nur" 1,40 Euro und ich muss wohl sehr viel hin- und herfahren. Dieselpreis 2 Monate später: 2,10 Euro. Dieselpreis zur gleichen Zeit in Japan: 93 Cent. Hm, ja. Bei den Japanern kommt der Diesel wohl nicht aus der Ukraine...
Ja, so war das. Da fühlt man sich doch gleich wieder Zuhause. Und jetzt, nach 4 "herrlichen" Jahren in Deutschland, komme ich immer noch nicht klar und fühle mich als ein unerwünschter Exot. Mehr noch als in Japan. Wer hätt's gedacht?
Nächstes Kapitel: 2024. Coolio Hat die Schnauze voll davon, in einer mit Arschlochakademikern, denen ihre Rolex wichtiger ist, als die total verpennten Termine, vollgestopften Weltfirma in Erlangen ein Schweinegeld zu verdienen, macht seinen Lebenstraum wahr und kauft sich eine kleine 11 Meter Segelyacht mit 5 Schlafplätzen. Karibik, schmeiß die Kaffeemaschine an, ich komme!
Übernächstes Kapitel: 2025. Coolios kleine 11 Meter Segelyacht mit 5 Schlafplätzen geht im Hafen unter. Totalschaden. Karibik, ich komme doch nicht! Noch nicht! Hmpf...
Ich glaube ihr habt's schon vorher kapiert: Langweilig wirds bei mir nicht...
*OL: Office Lady. Typische Bezeichnung für eine japanische Büroangestellte

