Wir sollen
sparsam mit Strom umgehen. Lieber mal ein bisschen schwitzen, die Klimaanlage
nicht ganz so weit runterdrehen. Und damit Tepco trotz Sparwille der
Bevölkerung immer noch genug verdient, werden gleich mal die Strompreise
drastisch angehoben. Die japanische Regierung schreitet nicht ein. Natürlich
nicht. Schließlich muss man sich alte Parteifreunde warm halten. Und nach der
Beendigung der Politikerkarriere lockt ein Platz im Aufsichtsrat. Nein, die
Regierung pumpt sogar noch Unmengen von Geld in Tepco, anstatt dieses Krebsgeschwür
endlich pleite gehen zu lassen. Oooh, dann werden aber Tausende von
Tepco-Leuten arbeitslos? Wo ist das Problem? An der Atomruine in Fukushima gibt
es genug Arbeit!
Der Bahnhof
Shibuya wird umgebaut. Alles wird moderner, freundlicher. Ja, zumindest
für die Unternehmen dort. Anstatt mehr Platz für die immer weiter wachsende
Bevölkerung Tokyos zu schaffen, wird die Station mit noch mehr Läden und
Werbeflächen zugepflastert. Als ob nicht schon genug Gedränge herrscht. Da
werden mitten im Weg zum JR-Gate 3 dicke Säulen gebaut, die es von der Statik
her gar nicht braucht. Waren ja vorher auch keine, stattdessen gab es
einigermaßen Platz für die Massen, die sich durch den Bahnhof schieben. In jede
dieser Säulen sind 4 50” Monitore eingelassen. Insgesamt also 12 stromfressende
Monitore auf 10 Meter Wegstrecke. Klar, aus der Sicht der Werbetreibenden eine
gute Idee: Der Verkehr staut sich auf dem Weg zur Treppe, viele Leute sind der
Werbung also praktisch ausgeliefert. Aber wir sollen Energie sparen. Damit
Tepco genug Strom für so einen Wahnsinn übrig hat.
Was passiert
eigentlich mit einem, wenn man so lange in Japan lebt wie ich. Im November
werden es 8 Jahre. Eine verdammt lange Zeit. Nun, man verändert sich, passt
sich wohl oder übel an die Gegebenheiten seines Gastlandes an. Klar, in den
ersten paar Jahren in Japan war für mich vieles eigenartig, ja oft sogar
einfach bekloppt. Nach 8 Jahren legt sich diese “Aufgeregtheit”, trotzdem
bleibt das Gefühl, in einer Parallelwelt zu leben.
Nein, ich plane
keine Flucht aus Japan. Vorerst. Trotzdem denkt man natürlich ständig über
Optionen nach. Nach ein paar Jahren kommt das automatisch bei Ausländern die in
Tokyo leben. Glaubt mir einfach.
Während meiner
Besuche in Deutschland, aber auch in englischsprachigen Ländern, durchfuhr es
mich immer wie ein Blitz: „Wow! Die Leute hier verstehen dich, aber sie sehen
dich nicht. In Japan sehen sie dich, aber sie verstehen dich nicht.“ In Japan
fühlt man sich als Ausländer immer beobachtet. Nach einigen Jahren fällt einem
das nicht mehr so auf, bzw. man verdrängt es, aber es ist immer da: Das
Glotzen.
Wie würde wohl
der umgekehrte Kulturschock für mich ausfallen, wenn ich wieder in Deutschland
leben würde? Zuerst einmal würden mich wohl die Massen von Ausländern in Deutschland
überraschen. Tja, so hat jedes Land sein „Fukushima“. Ohne das bis ins Detail
verfolgen oder diskutieren zu wollen, aber Deutschlands „Atomruine“ ist meiner
Meinung nach die total verpeilte Ausländer- und Sozialpolitik.
Ja, auch hier
trifft man Ausländer, aber die Hälfte ist auf der Durchreise, die andere Hälfte
ignoriert man geflissentlich. Man mag sich nicht. A’la: “Verpiss dich, das hier
ist mein Japan!” Meistens sind es jüngere, eher unscheinbare Männer, die noch
voll mit dem „Charisma Man“-Syndrom beschäftigt sind. Siehe dazu auch: http://en.wikipedia.org/wiki/Charisma_Man (leider nur Englisch...). Nach ein
paar Jahren, wenn einen die Realität mit großen Schritten einholt, legt sich
auch das wieder.
Ich müsste mich
wohl auch wieder an die deutlich „direktere Art“ der Deutschen gewöhnen. Daran,
das manche Dienstleister es nicht so haben mit dem Dienst leisten und daran,
das Deutsche einem ihre Meinung auch schon mal offen und unverblümt ins Gesicht
sagen.
In Japan habe ich
es in 8 Jahren nicht erlebt, das im Straßenverkehr mal jemand so richtig
ausgeflippt ist. Naja, ausser ich vielleicht. In Deutschland müsste ich mich
wohl erstmal wieder an Sturheit, Uneinsichtigkeit und den Krieg auf der Straße
allgemein gewöhnen. Auch das Statusdenken wenn es zu Autos kommt, würde mir
nach 8 Jahren Japan wohl unangenehm
auffallen.
Und obwohl es in
Japan auch hier und da füllige Menschen gibt, würde mir die schiere Masse an
Masse in Deutschland sofort ins Auge fallen. Daran, das ich dann nicht zu 99%
der größere und kräftigere wäre, müsste ich mich auch erst wieder gewöhnen.
Heimweh nach
Deutschland? Nein! Wenn ich irgendwann mal Japan verlassen sollte, dann eher in
Richtung Neuseeland oder Australien. Ist aber zur Zeit kein Thema. Naja,
irgendwie doch. Glaube ich..........
UPDATE: Über Nacht wurden 2 weitere Säulen (quadratisch, ca. 1 m Kantenlänge, Bildschirme vertikal montiert) aufgebaut. Natürlich auch mit je 4 50 Zöllern bestückt. Jetzt sind es 20 Bildschirme auf ca. 15 m Laufstrecke. Wahnsinn.......
UPDATE: Über Nacht wurden 2 weitere Säulen (quadratisch, ca. 1 m Kantenlänge, Bildschirme vertikal montiert) aufgebaut. Natürlich auch mit je 4 50 Zöllern bestückt. Jetzt sind es 20 Bildschirme auf ca. 15 m Laufstrecke. Wahnsinn.......