Der Zugführer
will mal wieder sparen, also lässt er die Klimaanlage aus, obwohl die Fenster
im Zug total beschlagen sind. Durch die Wolke aus Naphthalin und käsigem
Schweißgeruch zieht sich mal wieder ein hochprozentiger Mix aus
Körpergasausscheidungen. Wer einmal an einer japanischen Teezeremonie mit ihren
graziösen, ausgefeilten Bewegungen teilgenommen hat, kann sich über so manches
Benehmen in der japanischen Öffentlichkeit nur wundern.
Als ich noch neu
in der Firma war und auf unserem Firmenklo der Kollege neben mir am Pissoir kräftig
einen fahren ließ, war ich noch der Meinung, das war ein „Ausrutscher“ und das
es überall Schweine gibt. Mittlerweile weiß ich: Das ist hier vollkommen
normal. Ok, das man in der Familie, oder unter sehr guten Freunden mal einen
zischen lassen kann, ist ja irgendwie fast normal. Aber in der Öffentlichkeit?
Da wird gerotzt,
geräuschvoll die Nase hochgezogen, gefurzt und gerölpst was das Zeug hält.
Nein, nicht nur auf der Toilette, sondern auch beim fröhlichen Zusammensein (Saufen)
unter Arbeitskollegen. Sich mit einem Tempo die Nase zu putzen ist total “pfui
bäh!”, das macht man nur auf der Toilette, aber nicht zwischen anderen Leuten.
Da zieht man lieber die Nase hoch und rotzt es dann auf den Gehweg. Ist ja auch
viel ästhetischer. Aber halt, das hier gilt (fast) nur für die männlichen
Japaner! J-Gals machen so etwas nicht. Und wenn sie dann doch mal ganz leise
einen rausfiepen lassen, dann ist das, wie alles andere was J-Gals so machen,
halt kawaii. Ende der Diskussion. Aus!
Die Japaner sind
sehr stolz auf ihre einmalige Kultur. Naja, zumindest glauben sie das ihre
Kultur einmalig ist und nur auf den japanischen Inseln entstehen konnte. Ich
bin ja oft in Korea und glaubt mir, da sieht es fast genauso aus. Auch in China
sehen die Tempel und Schreine genauso aus. Von den chinesischen Schriftzeichen
mal ganz zu schweigen. Samurai und Geishas? Gabs in vergleichbarer Form auch in
Korea. Und China.
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Kleiner Firmenschrein mitten in Tokyo |
Aber halt! Das
Essen ist aber einmalig! Ja genau. Ramen kommt aus China, Curry aus Indien,
Hamburg(er) sind auch keine japanische Erfindung und selbst Sushi gibt es als
Gimbap schon ein wenig länger in Korea. Einzigartig ist wohl nur, das für
japanisches Sushi roher Fisch verwendet wird. Das dem japanischen Sashimi
ähnliche Hoe kennt man in Korea schon aus Zeiten, als die japanischen Inseln
noch von der Urbevölkerung der Ainu besiedelt wurde. Ainu ist nicht ganz
korrekt, da es durchaus mehrere Urvölker gab, aber allen gemeinsam ist, das sie
systematisch zurückgedrängt, ja praktisch ausgerottet wurden. Aber ähnlich wie
in den USA, gibt es auch in Japan für Touristen noch Siedlungen mit „echten“ ,
wenn auch stark japanisch durchmischten Ainu.
Anders als bei
den europäischen Kirchen, gibt es kaum stark unterschiedliche Tempel und
Schreine in Japan. Ja, es gibt lokale Unterschiede: “Du Yoshi guck mal, dieser
Tempel hier hat 2 Säulen mehr als die bei uns in Kanagawa! Das ist ja uuuuunglaublich! Schnell, mach mal ein Foto!”,
für die sich aber wohl nur Japaner interessieren. Bei den japanischen Burgen
sieht es ein wenig anders aus, aber verglichen mit deutschen Burgen und
Schlössern wirken diese sehr uniform und zerbrechlich und würden einem ordentlichen
Ansturm einer Horde Ritter inkl. Katapulten und Belagerungstürmen keine 10
Minuten standhalten.
Das gleiche gilt
wohl auch für die Samurai, die sicherlich in den innerjapanischen Kriegen einen
durchaus gefährlichen Ruf hatten, aber schon bei der ersten Begegnung mit
westlicher Kriegstechnologie, die dazu noch von unerfahrenen japanischen
Soldaten verwendet wurde, praktisch komplett ausgerottet wurden. Trotzdem wird
diese Kampf- oder auch Kriegskultur in Japan sehr hochgehalten.
Ja aber ......
aber ...... was ist denn mit den historischen Stätten, z.B. dem Weltkulturerbe
Kyoto? Jo, es gibt ein paar schöne Ecken für Touristen in Kyoto, aber keine
tatsächlich bewohnten historischen Städte, wie man sie in Deutschland zuhauf
findet. Historische Stätten findet man in Japan nur vereinzelt, kaum
zusammenhängend. Als ich zum ersten Mal nach Tokyo kam, immerhin die Hauptstadt
Japans, war ich herbe enttäuscht das man historische Stätten wirklich suchen
muss und das auf städtebauliche Schönheit in Tokyo absolut überhaupt keinen
Wert gelegt wird. Versteht mich nicht falsch, Tokyo ist schon ne geile Stadt,
aber eine Schönheit ist sie nicht. Und was historische Stätten angeht, stinkt
sie, abgesehen vom Kaiserpalast, der ja auch nicht wirklich historisch ist,
selbst gegen kleine deutsche Städte, wie zum Beispiel meine Heimatstadt Soest,
mit ihrem historischem Stadtkern und sehr vielen Häusern aus dem Mittelalter,
ganz gewaltig ab.
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Eins der wenigen übriggebliebenen alten Stadthäuser |
Im Grunde gilt
das auch für Kyoto, das von den paar historisch aufbereiteten Stätten
abgesehen, eine typisch bratzhässliche japanische Großstadt ist. Oft steht
direkt neben den kulturhistorischen Bauwerken heruntergekommene Hochhäuser, oft
sogar Fabriken! Und viele historische und auch religiöse Stätten sind mit
Gerümpel vollgemüllt, das dort absolut nichts zu suchen hat.
Ein echtes Plus
in Japan ist die Religionskultur. Da gibt es Buddhisten, Shintoisten, Christen
und einige andere Religionen und alle leben wirklich friedlich nebeneinander.
Für viele Japaner ist es vollkommen selbstverständlich, im traditionellen
Gewand buddhistisch oder shintoistisch zu heiraten, sich dann umzuziehen und sich
in einer christlichen Kirche vom „Fake“-Priester nochmal trauen zu lassen. Ich
finde das toll: Mach was dir gefällt! Das soll aber nicht darüber
hinwegtäuschen, das es in Japan ca. 11.000 verschiedene „Religionsgemeinschaften“
gibt, von denen so einige durchaus zweifelhafte Motive haben. Siehe dazu auch: http://samurai-biker.blogspot.jp/2011/06/soka-gakkai-in-eigener-sache.html
Was ist denn dann
so einzigartig an Japans Kultur?
Aus meiner Sicht:
Die
Freundlichkeit der Leute. Klar, das mag in manchen, oder auch vielen Fällen nur
eine Maske sein, aber das juckt mich als Kunde, oder als Arbeitskollege nicht.
Es macht einem das Leben deutlich einfacher. Auch als Ausländer habe ich kaum
jemals eine solche Ablehnung erfahren, wie sie bestimmte Gruppen in bestimmten
Gegenden Deutschlands erfahren.
Die Natur. In
welchem anderen Land hat man auf relativ kleinem Platz gleichzeitig
subtropische Inseln mit Traumstränden, gewaltige Gebirgsketten mit aktiven
Vulkanen, Nebel- und Regenwaldähnliche Gebiete mit intakter Großtierfauna, eine
gigantische Megapolis wie Tokyo, trotzdem relativ dünn besiedelte Gebiete mit
intakter Natur und kann diese dank der hohen Sicherheit auch vollkommen
bedenkenlos erkunden?
Trotz dem Image "Betonwüste", gibt es in Tokyo zahllose wunderschöne Parks, die man oft vollkommen überraschend hinter der nächsten Ecke, oder zwischen 2 hässlichen Hochhäusern findet.
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Indian Summer im Inokashirapark |
Die japanische
Küche. Auch wenn viele Gerichte nicht ursprünglich aus Japan sind, wurden diese
dem japanischen Verständnis von Perfektion angepasst. Man kann überall in Japan
bedenkenlos essen gehen. Selbst im kleinsten Dorf und auch wenn das Restaurant
schon ziemlich heruntergekommen aussieht, das Essen ist immer gut und gibt
selten Anlass zu Beschwerden.
Der Baustil. Die
paar alten Stadtvillen und Stadthäuser in Tokyo, die noch nicht von den
Aasgeiern der Immobranche aufgespürt wurden, sind wunderschön. Ich mag die
verwinkelte Bauweise mit vielen Räumen, Erkern Türmchen und Treppen. Und ich
liebe Tatami (Bodenmatten), Schiebetüren mit Papierfenstern und Futons
(Schlafstätte). Viele dieser Häuser haben noch ein Ofuro (Badezimmer) mit
Steinfliesen und Holzbecken. Oft sind diese Häuser trotz des hohen Alters im
Wohnbereich funktioneller isoliert als die neuen Pappbuden amerikanischer
Bauart. Qualitativ besser ausgeführt sind sie sowieso.
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Eingang zu einer sehr gepflegten Stadtvilla |
Ein Thema für
sich ist japanische Technologie, deshalb ist das auch eine ganz andere
Geschichte........
Wird fortgesetzt.........
P.S.: Ich räume mal wieder meine Linkliste auf. Alle Blogs die brachliegen, längere Zeit nix neues bringen oder nichts mehr mit dem ursprünglichen Thema zu tun haben fliegen raus, dafür kommen ein paar neue mit rein. Sorry Leute, aber ist ja nichts persönliches. Falls ihr in Zukunft wieder mehr schreibt, meldet euch einfach. Über Anfragen zur Aufnahme in meine Linkliste freue ich mich sehr.