Ein treuer Freund......

6

Der Sommer ist vorbei. Und obwohl noch deutlich über 20 Grad, eilt der Winter mit großen Schritten auf Tokyo zu. Ah, diese herrliche Zeit mit mehr Sonnenschein und klarem, blauem Himmel als im Hochsommer. Aber auch die Zeit in der man bei 8 Grad Aussentemperatur in seine 7 Grad kalte Bude kommt, den Kühlschrank aufmacht um sich irgendeine Pampe zurechtzumixen und dann zu realisieren, das es im Kühlschrank wärmer ist, als in diesem verficktem Hochpreisapartment......

Aber ich schweife schon wieder ab. Wie immer. Ich mag meinen Aktenkoffer. Es war der erste Aktenkoffer in meinem Leben und soll, wenn es nach mir geht, auch der letzte sein. Als ich ihn vor über 7 Jahren irgendwo in Tokyo auf einem Grabbeltisch sah, war es Liebe auf den ersten Blick. Obwohl deutlich schwerer als all seine Artgenossen, sollte er es sein, der mich von nun an durch mein Arbeitsleben begleitet. Ich erinnere mich nicht mehr an die Marke, nur an den eingelegten Werbezettel in schwächstem Englisch, das dieser Koffer, da ausserordentlich stabil gefertigt, besonders für den auslandsreisenden Salaryman geeignet ist.

Nach über 7 Jahren Arbeitsleben in Tokyo behaupte ich, das man besonders hier einen stabilen Koffer braucht und nicht im „feindlichen“ Ausland. Es gibt wohl kaum ein anderes Land, in dem die Leute einen so großen Scheiß darauf geben, was um sie herum passiert. Nein, es sind nicht nur die Handybremser, sondern praktisch alle Japaner haben überhaupt keinen Sinn dafür, das alle anderen Leute um sie herum auch ein bisschen Platz brauchen.

Besonders in Bahnhöfen wird gerempelt, gedrängelt, plötzlich stehengeblieben, abrupt  quergelaufen und allgemein ein Scheiß auf die übliche Laufrichtung gegeben. Die Japaner haben sich irgendwie schon darauf eingerichtet und ihre schlaffen Körper reiben mehr oder weniger widerstandslos aneinander vorbei. Ab und zu gibt es mal Zusammenstöße zwischen japanischen Landsmännern, da wird sich dann, sofern Zeit vorhanden, artig verneigt und entschuldigt, oder aber, wie meistens, drauf geschissen.
  
Mit mir klappt das nicht. Ich bin einfach zu groß, bulkig und kantig. Und so habe ich in den ersten Wochen, in denen ich mich morgens in die Rush Hour im Bahnhof geworfen habe, noch alles mit Schultern und Ellenbogen abgewehrt, was da so auf mich zukam. Besonders Ausländer sind ein bevorzugtes Ziel. Obwohl deutlich schmaler, denken viele Japaner wohl, das sie in „ihrem“ Land eindeutig Vorfahrt haben, auch wenn sie entgegen der allgemeinen Laufrichtung unterwegs sind. Nun ja, nach einigen blauen Flecken und nicht so schönen verbalen Ausrutschern, habe ich mir dann meinen treuen Aktenkoffer gekauft, der mich, wie ein Schild seinen Ritter, vor den ärgsten Verletzungen schützen sollte. Und das hat er auch treu getan. Dank stabilem Duraluminiumrahmen und Kevlareinsätzen hat er bisher ohne größere Schäden durchgehalten. Ja, an den Ecken ist das Leder schon abgewetzt, Der Lack vom Griff hat schon arg gelitten und das Schloss war schon 2 mal kaputt, aber das macht nichts.





Und so werde ich ihn auch weiterhin morgens nicht zu leicht packen und ihn weiterhin als Intelligenzallergikerschild einsetzen und wenn es sein muss auch weiterhin wie eine Abrissbirne durch die schwarze Masse schwingen............... 

  1. Ja, ein treuer Wegbegleiter in feindlichen Landen ist nie zu unterschätzen. Ich persönlich bin mehr der Rucksackmensch. Von hinten gedeckt (nein, du Ferkel! Nicht so) kann man mich nur von vorne erwischen, und da soll erstmal jemand kommen. :p

    Aber bastel dir doch mal eine Cam in dein Täschlein, dann gibt das bestimmt tolle Videos. :>

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Klar, versteckte Kameras in tieffliegenden Untensilien. Die im Augenblick sicherlich beste Methode um sein Visum zu verbraten...

      Löschen
    2. Hmpf, stimmt, das habe ich in dem Moment nicht bedacht. ~~ Das ist ja schon Volkssport vor Ort.

      Löschen
  2. "Intelligenzallergikerschild"!!! Danke, du hast mich zum Lachen gebracht :-D

    AntwortenLöschen
  3. Da kommt dann doch wieder die dunkle Seele eines waschechten Ingenieurs durch, wa? Bezugsquelle, Designparamater, Funktionsbeschreibung - alles enthalten. Aber wie dein süsses Kuscheltäschchen heißt, das verschweigst du uns. Sollen wir raten :D?

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Auch das stand im Text. Aber seit wann lesen Ing.'s die Texte von anderen Ing.'s richtig durch, ne?

      Löschen