Pumping Iron.......

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Meiner Meinung nach hat jeder eine zweite Chance verdient. Auch mein Gym. In einer großen Aktion lud mein Fitnesscenter alle ehemaligen Kunden zu einer Trialwoche ein. 5 Tage umsonst trainieren. Öhm....... kostenlos meine ich natürlich. Und jeder 50. Besucher gewinnt ein paar neue Sportschuhe. Ok, das mit den Schuhen hat mich überzeugt, sehen meine alten Nike doch aus als wäre ein Elefant drübergelaufen. Nachdem er draufgeschissen hat........

Gleich vorweg, nein, ich hab mich nicht wieder angemeldet. Und noch schlimmer, die Schuhe habe ich auch nicht gewonnen, sondern der 80 jährige Opa vor mir, dessen Rollator mich daran gehindert hat, im Eingangsbereich an ihm vorbeizusprinten. Nun ja, er brauch die Laufschuhe sicher dringender als ich. Grmpfl!

Gleich beim reinkommen fiel mir auf, das sich die früher ohnehin schon große Flut an selbstgestrickten "Hinweisschildern“ mal eben verdreifacht hat. Darunter waren so explizit übersetzte Stilblüten zu finden wie dieses hier:


Oooookay........

Ja. Genau. Im Umkleideraum konnte ich leider keine Fotos machen, weil man sein Handy jetzt am Eingang abgeben muss. Die Beschwerden über Titten-und Arschknipser wären einfach zu viel geworden. Trotzdem hängt in der Männerumkleidekabine ein Schild das sagt, das man keine Emails mehr aus der Kabine versenden soll. Aha? Besser noch ist aber das Schild, das man sich mit dem Fön doch bitte nur die Kopfhaare trocknen soll. Wtf? Was soll ich mir denn sonst noch trocknen? Halt, warte! Wenn ich mir hier so die Unterleibsafros von so manchem J-Dude anschaue, macht der Hinweis doch wieder Sinn.

Ok, nachdem ich ordnungsgemäß nach Vorschrift versucht habe, meine Scham so gut wie möglich zu bedecken, gehe ich nach dem Umziehen in den Bodybuildingbereich. Es gibt noch ein Schwimmbecken, Fitnessbereich (Laufbänder, Ergometer, usw.) und den Aerobicbereich. Da ich weiß, das sich dort hauptsächlich Omas über 70 in hautengen 80er Jahre Klamotten rumtreiben, schaue ich dort auf gar keinen Fall hinein.

Und nein, es hat sich nichts geändert. Schon nach der 3. Maschineneinheit kommt eine der zuckersüßen Trainerinnen auf mich zu und erklärt mir, das es Beschwerden gegeben hätte, das ich die Maschinen so hoch einstelle. Das wäre doch unhöflich den anderen Kunden gegenüber. Hallo? Ich muss doch auch die Maschinen von 2.5 auf 100 kg hochschrauben. Das ist doch hier der Bodybuildingbereich, oder? Ein Blick in die Runde der „Trainingskollegen“ bestätigt mir ihre Sorge: Bei den Gewichten plagt sich ein Opa, dessen Oberschenkel so dünn sind wie meine Unterarme kurz vorm Handgelenk, mit der langen Hantelstange ab. Ohne Gewichte! OHNE VERFICKTE GEWICHTE! Und beim stemmen stößt er einen Urschrei aus, der jede J-Porn Queen auf immer verstummen lässt! Heiliger Batman! An der Butterfly quält sich ein weiterer 80jähriger mit 5 kg Gewicht ab! 5 kg! Kein Wunder das man sich mit den Maschinen bald selbst erschlägt, wenn man vergisst, das Gewicht von der niedrigsten Stufe auf einen normalen Level zu bringen.

Mir reichts, ich wische meine Maschine ab gehe in den Fitnessraum. Ich bin grad von der Maschine weg, da kommt schon eine von den „Trainerinnen“ angerannt und wischt die Maschine nochmal ab! Mit Desinfizierungsspray! Ruhig bleiben, coolio! Im Augenblick in dem ich den Fitnessraum betrete, senke ich die Altersstatistik an den Laufbändern locker um 50% An jedem Laufband ist ein Zettel angebracht, das man während des Laufens keine Magazine mehr lesen soll. Aha? Mir egal. Ich bin ja zum Laufen hier, nicht zum Lesen.

Nach ein paar Minuten lockeren Laufens kommt es mir so vor, als ob ich ab und zu einen Tropfen abbekomme. Hm, muss wohl die Klimaanlage sein. Dann, als eine Schweißwolke von Sevesoausmaßen zu mir herüberweht, dämmert es mir: Das ist nicht die verdammte Klimaanlage! Der Opa 2 Maschinen neben mir schwitzt wie ein Rennpferd und wischt sich alle paar Sekunden mit schwungvoller Handbewegung den Schweiß aus der Fresse. In meine Richtung! Das wars! Aus, vorbei!

Ich hab es versucht. Ich hab es wirklich versucht! Und dabei war ich noch nicht mal im Pool! Nein, ich weiß wie es dort aussieht. Anstatt zu schwimmen, machen dort 50 Schrumpelomas mit Badehaube Wassertreten. Schwimmen? Kannst du vergessen! Kein Platz!


Ab in die Umkleidekabine. Nachdem ich mir weder die Sackhaare geföhnt habe, noch Emails verschickt habe, gehe ich in pinken Badelatschen in den Frontbereich, gebe die Dinger mit angeekeltem Gesicht ab und ziehe meine wunderschönen alten Nike an. Nein, mich seht ihr hier nicht wieder! Und schon habe ich wieder den alten Spruch von Fips Asmussen im Ohr: Warum Eisen pumpen, wenn der Stahl schon geschmiedet ist?  

Ein treuer Freund......

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Der Sommer ist vorbei. Und obwohl noch deutlich über 20 Grad, eilt der Winter mit großen Schritten auf Tokyo zu. Ah, diese herrliche Zeit mit mehr Sonnenschein und klarem, blauem Himmel als im Hochsommer. Aber auch die Zeit in der man bei 8 Grad Aussentemperatur in seine 7 Grad kalte Bude kommt, den Kühlschrank aufmacht um sich irgendeine Pampe zurechtzumixen und dann zu realisieren, das es im Kühlschrank wärmer ist, als in diesem verficktem Hochpreisapartment......

Aber ich schweife schon wieder ab. Wie immer. Ich mag meinen Aktenkoffer. Es war der erste Aktenkoffer in meinem Leben und soll, wenn es nach mir geht, auch der letzte sein. Als ich ihn vor über 7 Jahren irgendwo in Tokyo auf einem Grabbeltisch sah, war es Liebe auf den ersten Blick. Obwohl deutlich schwerer als all seine Artgenossen, sollte er es sein, der mich von nun an durch mein Arbeitsleben begleitet. Ich erinnere mich nicht mehr an die Marke, nur an den eingelegten Werbezettel in schwächstem Englisch, das dieser Koffer, da ausserordentlich stabil gefertigt, besonders für den auslandsreisenden Salaryman geeignet ist.

Nach über 7 Jahren Arbeitsleben in Tokyo behaupte ich, das man besonders hier einen stabilen Koffer braucht und nicht im „feindlichen“ Ausland. Es gibt wohl kaum ein anderes Land, in dem die Leute einen so großen Scheiß darauf geben, was um sie herum passiert. Nein, es sind nicht nur die Handybremser, sondern praktisch alle Japaner haben überhaupt keinen Sinn dafür, das alle anderen Leute um sie herum auch ein bisschen Platz brauchen.

Besonders in Bahnhöfen wird gerempelt, gedrängelt, plötzlich stehengeblieben, abrupt  quergelaufen und allgemein ein Scheiß auf die übliche Laufrichtung gegeben. Die Japaner haben sich irgendwie schon darauf eingerichtet und ihre schlaffen Körper reiben mehr oder weniger widerstandslos aneinander vorbei. Ab und zu gibt es mal Zusammenstöße zwischen japanischen Landsmännern, da wird sich dann, sofern Zeit vorhanden, artig verneigt und entschuldigt, oder aber, wie meistens, drauf geschissen.
  
Mit mir klappt das nicht. Ich bin einfach zu groß, bulkig und kantig. Und so habe ich in den ersten Wochen, in denen ich mich morgens in die Rush Hour im Bahnhof geworfen habe, noch alles mit Schultern und Ellenbogen abgewehrt, was da so auf mich zukam. Besonders Ausländer sind ein bevorzugtes Ziel. Obwohl deutlich schmaler, denken viele Japaner wohl, das sie in „ihrem“ Land eindeutig Vorfahrt haben, auch wenn sie entgegen der allgemeinen Laufrichtung unterwegs sind. Nun ja, nach einigen blauen Flecken und nicht so schönen verbalen Ausrutschern, habe ich mir dann meinen treuen Aktenkoffer gekauft, der mich, wie ein Schild seinen Ritter, vor den ärgsten Verletzungen schützen sollte. Und das hat er auch treu getan. Dank stabilem Duraluminiumrahmen und Kevlareinsätzen hat er bisher ohne größere Schäden durchgehalten. Ja, an den Ecken ist das Leder schon abgewetzt, Der Lack vom Griff hat schon arg gelitten und das Schloss war schon 2 mal kaputt, aber das macht nichts.





Und so werde ich ihn auch weiterhin morgens nicht zu leicht packen und ihn weiterhin als Intelligenzallergikerschild einsetzen und wenn es sein muss auch weiterhin wie eine Abrissbirne durch die schwarze Masse schwingen...............