Beobachtungen

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Jiguruma ni oppishigareshi sumire kana.

Das Haiku ist ein Zeichen für die tiefe japanische Naturliebe. Es entspricht der japanischen Vorstellung, wonach Haiku „die eigentliche Naturdichtung der japanischen Seele“ sei (Toshimitsu Hasumi).



Ich hasse Jetlag! Wenn ich dann mal vernünftig schlafen kann, träume ich den wildesten Scheiß. Jetzt grad zum Beispiel träume ich, das ich von lauter blonden Frauen mit großen Brüsten umgeben bin. Halt warte, das ist gar kein Traum! Ich bin nämlich in Polen auf Biztrip. Das heißt, ich war dort. Letzte Woche. Schön wars.

Es gibt dort tatsächlich noch mehrere vollkommen historische Städte und trotz 2 Weltkriegen, mehreren innereuropäischen Kriegen, zig Aufständen, Kommunismus und reichlich Wodka, konnte Polen sich seine Vergangenheit bewahren. Japan wurde nicht einmal ansatzweise von fremden Truppen eingenommen, noch von seinen Kriegsgegnern nachhaltig verwüstet und trotzdem findet man kaum noch historische Bauten, geschweige denn historische Städte oder Dörfer abseits der typischen „Touristenfallen“. Kyoto? Bis auf ein paar Tempel eine kotzhäßliche Stadt voller Betonbunker. Selbst wenn man an den Sehenswürdigkeiten Fotos macht, muss man den Bildausschnitt bewusst eng halten, wenn man nicht irgendwelche Betonklötze, Lovehotels, Strommasten oder irgendwelche rostigen Wellblechbuden auf den Fotos haben will. Ist alles unsere Schuld! Ja! Schließlich haben wir Westler doch das arme Japan angegriffen. Japan hat sich nur verteidigt.

Eigenartigerweise sind aber in Kyoto gar keine Bomben runtergekommen. Die Amerikaner haben extra eine Ausnahme gemacht und dieses damalige Weltkulturerbe ausgespart und nicht vollkommen ausradiert, wie zum Beispiel Dresden. Trotzdem finden sich in Dresden alle Nase lang historische Bauten. In Kyoto? Nope. Von 1-2 Straßenzügen, die leidlich mit viel Beton für Touristen instand gehalten werden, mal abgesehen, gibt es da nix. Nach Kyoto fährt man morgens hin und abends wieder zurück, weil es einfach keinen Grund gibt, dort über Nacht zu bleiben. Ein paar Stunden reichen und man hat das komplette Kulturgut Japans gesehen. Nach dem 2. Weltkrieg haben die Japaner ihr Kulturerbe, die wunderschöne Stadt Kyoto selbst „zerbombt“ und einen alten Straßenzug nach dem anderen platt gemacht, um Platz für seelenlose Betonklötze wie den neuen Hauptbahnhof zu schaffen.

Man stelle sich mal vor, man steigt z.B. in Florenz aus dem Zug aus und steht plötzlich in einem überdimensionierten Ufo aus Beton und Glas. Vollkommen geschockt draußen angekommen, wird man dann von ein paar ultrabunten Comicstatuen aus Plastik begrüsst die einen kaum von der rot-weißen Hässlichkeit des Kyoto-Tower ablenken können. Um überhaupt ein historisches Gebäude sehen zu können, muss man den Bus oder ein Taxi nehmen. Es gab damals Planungen, den kompletten Bahnhof unterirdisch zu verlegen. Nein, teurer war das nicht. Wohl einfach nur zu „uncool“. Die Bäume um den alten Bahnhof wurden ohne Federlesen abgesägt. Aber dafür gibt es ja jetzt eine Lightshow mit der Kirschblüte oder den verfärbten Herbstblättern im Ufo.

Auf den Dörfern mit einigermaßen historischer Restbebauung sieht es nicht viel besser aus. Da werden riesige Monstren von „Mehrzweckhallen“ in die Reisfelder geknallt um der alternden Landbevölkerung so etwas wie „kulturelle Gemeinschaft“ zu ermöglichen, anstatt die verbauten Riesensummen für die Instandhaltung von historischen Ortskernen zu verwenden. Wenn dann mal Häuser renoviert werden, wird die historische Struktur komplett entfernt und durch Plastik und Rigips ersetzt. Und damit man wenigstens noch was zum Leiden hat, wird keine neuzeitliche Heizung oder Isolierung eingebaut. Man denkt schon seit zig Jahren darüber nach, die Stromleitungen im Untergrund zu verlegen. Macht ja auch Sinn in einem erdbebengefährdetem Land, da herabstürzende Masten oder herunterhängende Kabel eine Riesengefahr darstellen, die auch noch die Evakuierung behindern. Nein, das haben die Japaner immer schon so gemacht, also machen sie es auch weiterhin so. Außerdem kann man mit den Betonmasten richtig gut Geld verdienen. Das viele Bürokraten aus den Behörden für Bau und Konstruktion nach ihrer Pensionierung noch in der Bauwirtschaft landen, macht ein Umdenken fast unmöglich.

Ca. 90% der verbleibenden Landbevölkerung arbeitet in Beschäftigungsmaßnahmen der Bauindustrie und betoniert so langsam aber sicher auch noch den letzten Berghang zu, baut vollkommen unnötige Strassen in die Wälder, in denen kaum Holzwirtschaft betrieben wird, oder kanalisiert jeden noch so kleinen Bachlauf. Während in der restlichen zivilisierten Welt die Flüsse wieder naturalisiert werden, verkauft das Konglomerat aus Yakuza, Bauunternehmen und korrupten Politikern diese Flüsse als große Gefahr, die gebändigt werden muss. Über 90% der japanischen Flüsse sind künstlich eingefasst! Über 40% der japanischen Küste werden von hässlichen Betonklötzen verziert, obwohl man im Westen schon vor Jahren festgestellt hat, das diese Maßnahmen gegen Unterspülungen eben grade die Unterspülungen des Strandes nur noch weiter beschleunigen. Stoppt man das ganze deshalb? Nein. Das waren ja westliche Studien und außerdem haben die Japaner das ja schon immer..........


Wird fortgesetzt........ 

Die 3 Affen (sambiki no saru)

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Ignoranz ist keine Lösunglediglich ein Aufschub dessen was zu klären ist !


Widerwillig lasse ich mich von den schwarzen Massen durch den Bahnhof treiben. Schwarz und Grau sind die vorherrschenden Farben. Ein paar Farbtupfer stechen heraus. Meistens sind das Frauen, oder Salarimen bei denen es wieder nicht für einen Mantel gereicht hat, den man zum Anzug tragen kann. Muss halt die gute alte Daunen-Langjacke mit Fellkragen als Mantelersatz herhalten. Gern in auch in Violett oder weiss. Oft schon ein bisschen speckig. Nun ja, dafür habe ich vollstes Verständnis, Haare färben und Augenbrauen stutzen kostet schließlich ne Menge Geld. Nein, ich rede hier nicht von Frauen.


Für jemanden wie mich, der hier schon ein paar Jahre lebt, wird es immer schwieriger, in den Blogposts eine gewisse Balance zu halten. Schliesslich will man ja nicht nur schlechtes schreiben, oder nur gutes. Tja, tut mir leid. Ich schreibe was ich will. Oft sind das eben Sachen, die mir durch den Kopf wehen (neben all dem "Meeeeeeh".....) und die ich dann sofort aufschreiben muss. Leider gehöre ich nicht zu denjenigen, die einfach ohne Mühe irgendein Gesülze schreiben können und dann zig Likes auf Facebook bekommen. Nope! Ich muss jeden brauchbaren Gedanken sofort festhalten. Dafür nutze ich meistens mein Telefon und hacke alles was mir durch den Kopf geht in die "Notizenapp", die mittlerweile schon einen solchen Umfang hat, das ich eine eigene Buchserie daraus fertigen könnte.

Nein, vergesst es. Es kommt einiges davon in diesen Blog, der ja oft so aussieht, als ob es kein System gibt. Aber das meiste sind wirklich sehr private Gedanken, die ich einfach für später festhalten will. Vieles wird auch wieder gelöscht. Oft sind es auch Tagträume, die ich nicht vergessen will. Was mit diesen Sachen mal passiert, weiss ich noch nicht. Wenn ich mal viel Zeit habe, wird daraus vielleicht ein Buch? Haha, sicher sitze ich dann am Schreibtisch, habe die Hände auf der Tastatur und auf dem Bildschirm steht: 
Kapitel 1               Mööööööööööööööööööööööööööööööööööööööhhhhh.........

Besonders in letzter Zeit sticht in der deutschen J-Bloggerszene nichts Interessantes mehr heraus. Nein, ich will ja nicht nur negatives lesen, aber es sieht halt oft so aus, als ob viele anfangs himmelhoch über Japan jauchzende Blogger langsam von der Realität eingeholt werden und dann aufhören, regelmäßig ihrem gelobten Land zu huldigen. In anderen Blogs werden J-Pressemitteilungen übersetzt, ein wenig ausgeschmückt und dann zur Diskussion freigegeben, aber wirklich viel kreatives kommt dabei nicht heraus. Ganz anders geht es da in der englischsprachigen Bloggerszene ab.

Nun gut. Soll mein Blog den Eindruck vermitteln, das Leben in Japan wäre schrecklich? Viele Einträge lesen sich vielleicht auf den ersten Blick so. Naja, auf den zweiten auch. Aber nein. Man kann als Ausländer ganz wunderbar in Japan leben. Besonders als "weisser" Ausländer. Man kann sich schnell an die besondere Aufmerksamkeit und Freundlichkeit gewöhnen, die einem die Japaner entgegenbringen. Besonders wenn man wie die berühmten 3 Affen durch den japanischen Alltag stolpert: Nichts hören, nichts sehen und nichts sagen. Natürlich kommen diese berühmten 3 Affen sogar aus Japan (http://de.wikipedia.org/wiki/Drei_Affen). Wie passend......

Und tatsächlich, wenn man nicht zu viel denkt, wenn man nicht zuviel liest, wenn man nicht gut genug Japanisch lernt, um zu wissen, was um einen herum gesagt oder geschrieben wird und wenn man damit klar kommt, dass Menschen ständig lächeln und "höflich" sind und einen behandeln wie etwas ganz besonderes (entweder wie ein Genie oder einen kompletten Idiot...), dann, ja dann kann man hier ein sehr angenehmes Leben leben. Natürlich ist die Tatsache, das man nicht ernst genommen wird, das die Japaner nicht wirklich erwarten, dass man an der Gesellschaft teilnehmen kann, oder Arbeiten mit ein wenig mehr Verantwortung als z.B. Kellner oder Assistenzlehrer ausüben kann, nicht für jeden so leicht zu akzeptieren. Nicht viele können diese Selbsttäuschung für mehr als ein paar Jahre aushalten. Wer nur gelegentlich oder als Tourist, Student, oder Expat ins Land kommt, der kann diese Täuschung sein Leben lang aufrecht erhalten.  


Diese Variante passt sogar besonders gut......


Leider glauben viele Ausländer, besonders junge Männer, bei all der Aufmerksamkeit die sie von den Japanern bekommen, sie seien etwas besonderes und in ihren Heimatländern hätte das nur niemand bemerkt. Nun tun sich gleich mehrere Szenarien auf: Entweder man ist ignorant und ....... naja ......... doof genug, um damit sein Leben lang klar zu kommen. Oder man kommt irgendwann dahinter, das einem die Japaner nur "den Arsch abputzen", weil sie glauben das man als Bakagaijin dazu eh nicht in der Lage ist. Dann kann man sich, so wie die meisten, nach ein paar Jahren völlig desillusioniert aus dem Staub machen, oder so wie der harte Kern der "permanent Aliens", die ganze Sache aussitzen, oder ausfechten. Ich habe einen guten Grund hier zu sein: Mein Kind. Und allen anderen rate ich auch zu einem guten Grund. Ansonsten würde ich ein Leben in Japan, besonders für einen längeren Zeitraum, nicht in die engere Wahl ziehen. Ich glaube, jeder "permanente" macht seine Phasen im Wechsel durch. Ich zumindest habe sowohl meine ignoranten Phasen, als auch mehr kämpferische. Wo das ganze hinführt? Wer weiß das schon? In den totalen Wahnsinn? In die totale Ignoranz?  Totale Assimilation eben durch Ignoranz? Die totale Erinnerung? Und wenn ja: An was?

Memoirs of a mostly dependable friend....

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“Was soll das überhaupt heissen: Memoiren eines meistens zuverlässigen Freundes? Schreibt man seine Memoiren nicht erst, wenn man total mit der Welt abgeschlossen hat, so wie Boris Becker?“

„Hmpf, schnarch! Was? Ich wünsche dir auch einen guten Morgen. Wieso bist du überhaupt schon aufgestanden?“

„Ja, du mich auch! Machst du Witze? Suffkopp! Ich bin schon seit 3 Uhr wach! Erst ertränkst du dein Bullshitzentrum mit Jägermeister, dann lässt du mich arbeiten bis ich total ausgepumpt bin und dann pennst du ein, ohne vorher nochmal Pipi zu machen! Schau mal wie rot ich bin! “

„Wow! Na danke! Jetzt bin ich auch wach! Ich dachte, das rote ist das Nachtlicht! Wann ist sie denn gegangen?“

„Keine Ahnung. Ich weiß nur wann sie gekommen ist. Bwahahaha! Der war gut, was?“

„Oh ja, an dir ist wirklich ein Komiker verloren gegangen!“

“Ne echt Mann, keine Ahnung. Ich bin ja offensichtlich schon vor dir eingepennt. Nur „aufgestanden“ bin ich schon früher. Und jetzt steh du endlich auch auf und geh pinkeln! Es brennt schon !”

“Oh Mann, ich hoffe das Brennen kommt nur davon. So und jetzt ist mal Ruhe!”

„Jaja, mit mir kannst du es ja machen! Da werd ich den ganzen Abend hin- und hergezogen und geschoben, gebissen, geschlagen, gerieben und dann sowas!“

„Ok, ist ja schon gut. Zur Versöhnung gehen wir gleich schön baden.”

„Na gut. Aber nicht so heiss. Ich stehe sowieso noch in Flammen!“



10.30 Uhr, Sonntagmorgens in Tokyo, ein neuer glorreicher Tag beginnt..........