Ein Schritt zurück

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Eskalation

Eskalation (frz.: escalier „Treppe“) ist das Steigern und Verschärfen bei der Anwendung von – ursprünglich militärischen und politischen – Mitteln. Eine Sonderform der Eskalation stellt hier der Kaskadeneffekt dar. Er beschreibt eine absteigende soziale Karriere, bei der die Reaktionen einer Person oder Gruppe auf ein Unglück zum Auslöser für das nächste werden. (Wikipedia)


Ich habe offensichtlich Phasen in denen in weniger mitteilungsfreundlich bin als sonst. Im Augenblick ist wieder so eine Phase. Eigentlich sollte ich ja jetzt schreiben, das es mir leid tut und bla bla. Tue ich aber nicht. Blogs die einfach irgendeine Scheiße raushauen, nur um ein bestimmtes Pensum zu erfüllen gibt es ja sicherlich genug da draussen. In der wirklichen Welt......

Eigentlich sollte es nach 8 Jahren keine großartigen Wtf???-Momente mehr geben, aber manchmal schafft es Japan noch, mich vollkommen unvorbereitet zu erwischen. So stehe ich heute Morgen völlig in Gedanken vertieft im Zug als........ Halt! Ihr wollt wissen was mir morgens im Zug so durch den Kopf geht? Hm, schwierig. In Tönen würde ich es etwa so ausdrücken: “Meeeeehhhh, bööööööööhhh, blaaaaahhhh.“ Aber nicht heute Morgen. Da ging es: „Möööööööhhhh, meeeeehhh, ............Ho?“

Erst habe ich mir nichts dabei gedacht, das ich von rechts ständig weggedrückt werde. Schliesslich wollte ich nur in Ruhe meinen Alkohol von gestern ausschwitzen und meinen philosophischen Gedankengängen folgen. Bis mir dann auffiel, das es gar keinen Grund gab, mich ständig anzuschieben. Der Zug war relativ leer. Mit relativ leer meine ich, nur zu 130% voll. Neben mir steht ein junger Japaner. Student. Sehe ich an den Klamotten. Ungefähr gleich groß, aber nur etwa halb so schwer. Nicht besonders attraktiv. Unter seinen Armen zeichnen sich Schweißflecken ab. Kein Wunder, versucht er doch seit knapp 10 Minuten, mich mit aller Gewalt weiter nach links zu schieben, obwohl ich praktisch mit der Haltestange verschweißt bin. Aber warum?

Aha! Ihm gegenüber auf der Sitzbank sitzt ein J-Gal. Auch Studentin. Sehe ich an den Klamotten. Nicht sonderlich attraktiv, wie die meisten Japanerinnen, aber doch irgendwie schnuffelig, so wie die meisten Japanerinnen. Och, Lulatsch will seine Freundin vor dem bösen Gaijin beschützen! Haha! Nope, ist nicht das erste Mal. Oft springen die Typen geradezu in die Bresche zwischen mir und ihrer Trulla, bevor die schädlichen Gaijinstrahlen sie erreichen können. Je nach Laune geht mir das am Arsch vorbei, oder ich lächele die Trulla an, nur damit sich der Typ noch mehr verrenken muss, damit sie mich auch ja nicht mehr sehen kann. Den Mut sich umzudrehen und mich aktiv zu behindern, hatte aber noch keiner. Dafür reicht es dann doch nicht. Aber Hauptsache die Freundin ist schwer beeindruckt von seinem Beschützerinstinkt. Herrlich. War ich auch mal so doof?

Nu gut, langsam geht mir das Gedrücke auf den Sack. Und mein “Opponent” fängt langsam an, unangenehm zu riechen. Mittlerweile läuft ihm der Schweiß von der Stirn. Respekt. Ist immerhin ein ziemlich unausgewogener Kampf: Knapp 100 kg trainierte Boshaftigkeit gegen ....... naja ....... sein wir mal großzügig, 60 kg Tranlappen. Seine Freundin schaut auch schon ganz besorgt.

So, jetzt reichts aber. Gaijinpower ON! Langsam und mühelos schiebe ich ihn mit meinem ganzen Körpergewicht aus dem Dunstbereich seiner Trulla. Soweit bis ich vor ihr stehe. Er hat keine Chance, schließlich hat er sich schon die letzten 10 Minuten total verausgabt. Ich lächele der Kleinen zu, sie lächelt zögernd zurück. 3......2......1, mit einem Ruck lasse ich die Haltestange los, mache einen Schritt nach hinten. Er reagiert zu spät und stolpert ein paar Schritte in die Masse, bis er das Gleichgewicht verliert. Und da liegt er auf der Fresse. Mitten im Zug. Morgens um 8.57 Uhr.

8.58 Uhr. Der Zug erreicht meine Station, ich steige in aller Ruhe aus. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sich der Held wieder aufrappelt. Ich gehe langsam Richtung Ausgang, in meinem Kopf macht es: “Meeeehhh, blaaaaahhh, ööööööhhhh“ und ich summe „You win again“ von den Bee Gees. Leck mich am Arsch, heute ist ein guter Tag!



  1. hahahaha.. Klasse wie die Kleinen den Großen ans Bein pinkeln wollen aber dann auf die Schnauze fallen.. xD

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    1. Habt doch bisschen erbarmen mit dem kleinen Fliegengewicht! ;D Ha,ha. Einfach nur wieder ginial geschrieben...da kann man sich das richtig gut vorstellen die Situation. Weiter so!

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  3. Haha. Tolle Geschichte. Ich wünschte, ich könnte sowas auch mal machen.
    Das letzte Mal als sich ein Japaner aufmüpfig im Zug verhalten hat, hab ich mich an der Hand verletzt. Ich bin eingestiegen, den Gang entlang und wollte mich gerade hinsetzen als ein älterer Herr mit viel Gepäck an mir vorbeischrammt und mich fast auf dem Boden schupft, nur um den Platz zu ergattern. ARSCHLOCH!!! :( :( :(

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    1. Hast du nicht mal Karate oder Kungfu oder sowas gemacht, oder täusche ich mich da? Zumindest hättest du ihm als "Dankeschön" deinen Absatz in die Zehen rammen können. Natürlich aus Versehen. Mache ich auch oft so und mache dann ein total unschuldiges Gesicht. Ich wette, der alte Sack hat sich nicht mal entschuldigt, oder? Alte Japaner verhalten sich oft wie Arschlöcher. Rempeln, drängeln vor, fluchen, rennen einfach ohne zu gucken auf die Straße, usw. Nein nicht nur die Kerle, sondern oft auch die "Damen". Gut, bei mir halten sie sich respektvoll zurück, aber besonders Frauen, gern auch ausländische Frauen, müssen öfters mal dran glauben.

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    2. Ne, entschuldigt hat der Kerl sich nicht. Der musste ja weiterhetzen, damit er ja einen Sitzplatz ergattern konnte. *seufz*

      Jo, hab mal Karate gemacht, aber das ist bald 20 Jahre her! :(

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