Der alte Mann und das Klo......

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Ich habe es wirklich versucht. Ehrlich. Aber gestern Abend, auf dem Weg von der Ginzalinie zur Inokashiralinie, bekam ich auf einmal eins von diesen Männerhandtäschchen ins Gesicht gedonnert. Der Typ war mir schon vorher aufgefallen, wie er neben seiner Shibuyaschlakse herstiefelte und sich mehrmals lässig seine Lousy Vuitton-Herrenhandtasche über die Schulter hängen wollte, dies aber mangels männlicher Schultern einfach nicht klappen wollte. Auf der Rolltreppe ist es dann passiert.....

Mit einem Anzug, wie ihn der George W. Bush immer getragen hat, wäre ihm das nicht passiert. Dessen Anzugschultern waren, mangels echten Schultern, so dermaßen grotesk weit ausgepolstert, das man locker einen ganzen Handtaschenladen daran hätte aufhängen können. Der gute George W. wollte wohl so breit aussehen wie ein echter Mann. Obwohl ich ja finde, das sein dümmliches Grinsen eigentlich immer breit genug aussah.

Und das erinnert mich immer an meinen Großvater mütterlicherseits. Der brauchte keine ausgepolsterten Schultern, denn der war ein echter Kanten. 2 Meter hoch, ein Meter breit, Hände wie Minibaggerschaufeln. Vor dem 2. Weltkrieg kam mein Opa beim Ankuppeln von Eisenbahnwaggons zwischen die Puffer. Jeder andere wäre mausetot gewesen, mein Opa spuckte aus und sagte zu seinen Kollegen, die wie versteinert da standen: „Ich glaube, ich gehe jetzt wohl besser ins Krankenhaus.“

Seine harte linke war im Dorf berüchtigt. Er war dafür bekannt, das er nicht groß rumlabert, sondern lieber mal zur Vorsicht gleich draufhaut. Meistens reichte eine Kelle seiner Riesenpranken und der Opponent kippte wie vom Blitz getroffen um. Der Streit war damit entschieden. Fertig. So einfach war das damals, als es noch keinen Rechtsschutz gab. Mit rechts hat mein Opa nie zugeschlagen, weil er Angst hatte, das er sein Gegenüber dann "dodschlaachen tut". Hätte er doch mal mit rechts einen Haken geschlagen, wäre der erste Mensch auf einer Umlaufbahn um die Erde ein Deutscher gewesen.

Mein Opa war nie ein Mann vieler Worte, trotzdem hat er seine Enkel immer liebevoll behandelt. Ich war sein Lieblingskind, wohl weil ich ihm so ähnlich war. So saßen wir dann am liebsten still auf der Bank, die früher an jedem Haus draußen neben der Haustüre stand. Er trank seine Biere, mit “Kurzen” dazwischen, ich trank meine Florida Orange. Unsere sehr unaufgeregt ruhigen Gespräche handelten meist von seiner harten Kindheit nach dem ersten Weltkrieg.

Es war ein warmer Spätsommerabend, wieder saßen wir auf der Bank, da stritten sich mal wieder meine Tante und ihr Ehemann in der Küche. Meine Tante und der „Rucksackdeutsche“ (so nannte ihn mein Opa immer), die in der linken Haushälfte wohnten, stritten oft und heftig. Dieses Mal ging es ums Essen, das wegen eines längeren Kneipenausflugs wohl schon kalt war, als mein Onkel endlich total besoffen zuhause erschien. Und Klong! flog auch schon ein Teller an die Wand. Mal wieder.....

Mein Opa gab mir sein Bier: „Hier, halt das mal kurz mein Junge, ich bin in einer Minute wieder da.“, stand auf, krempelte sein Hemd über seine gewaltigen Unterarme und setzte sich langsam, wie ein Tanker der Ruder anlegt, in Bewegung. In der Küche angekommen, hob er meinen Onkel aus dem Stuhl, legte ihm einen seiner gewaltigen Arme um den Hals, das die Knochen vor Dehnung nur so knackten und schliff diesen in Richtung Toilette. So sehr sich mein Onkel auch wehrte, er war zwischen Bizeps und Unterarm wie in Beton eingegossen. Zur Beruhigung bekam er mit der freien Faust ein paar Schläge gegen den Unterkiefer.

Am offenen Klo angekommen, war der Kopf meines Onkels schon so blau wie das eingefärbte Spülwasser. “So, jetzt bringe ich dich dahin wo du hingehörst, du Haufen Scheiße!“, sagts und presst den Kopf meines nahezu bewusstlosen Onkels in das Klowasser, schnappt sich die Spülkastenkette und zieht ab. Whosch! Und wie sich das gehört, wird nach dem Abziehen der Deckel heruntergeklappt. Mit Schmackes. Klong! Mehrmals. Klong! Klong! Klong! Und früher waren die Deckel noch aus schwerem Hartholz, so stabil das man sich auch mal draufstellen konnte, um den unter der Decke hängenden Spülkasten zu checken.

Ich konnte die ganze Szene von der Bank aus beobachten. In den alten Fachwerkhäusern ging es von der Eingangstür durch den Flur schnurstracks geradeaus aufs Scheißhaus. So das man in einer Notsituation auch noch schnell genug auf den Schacht kam. Ein letztes Mal knallt der Deckel nach unten. Krack! Der Deckel zerbricht. Mein Onkel auch. Er bewegt sich nicht mehr.*

Mein Opa kommt ruhigen Schrittes zurück zur Bank, krempelt seelenruhig seine Ärmel wieder herunter, holt einmal tief Luft und setzt sich wieder. Er schwitzt nicht einmal! „Kleiner, wenn du gleich aufs Klo musst, geh nach oben. Das untere ist verstopft. Wo waren wir stehengeblieben?”, sagts, nimmt einen großen Schluck Bier und rückt mich mit einer Hand wieder auf seinen Schoß. Das war unser letztes Jahr draussen auf der Bank. Das Kryptonit meines Grossvaters war der Alkohol. Und dieser richtete ihn langsam aber sicher zu Grunde. Oh, wie habe ich diesen ruhigen Riesen geliebt!

Meine Brille sitzt schief. Ich spüre ein leichtes Brennen am Ohr. Was hat dieser metrosexuelle Tranlappen bloß in seiner Handtasche drin? Backsteine? Und hier setzt meine Gaijinpower ein. Die „Bullet time“ in Matrix ist ein Scheiß gegen die „Gaijin time“. Wie in Zeitlupe läuft das Geschehen an mir vorbei. Ich kriege sein Täschchen an der Ecke zu fassen, lege meine ganzen 100 Kilo Gaijinpower in diesen einen Stoß und ramme den Typ mit seiner eigenen Handtasche in hohem Bogen über die Trennwand auf die andere Seite der Rolltreppe. Du brauchst mehr Platz? Bitte! Yosh! Ich zupfe kurz meinen Anzug zurecht und setzte meinen Weg Richtung Heimat fort. 

Danke für die Gene, Opa!

*Nein, tot war mein Onkel nicht. Unkraut vergeht nicht. Aber neben einem ordentlichen Riss im Schädel, mehreren Platzwunden und einem gebrochenem Unterkiefer, hatte er ab da einen Riesenrespekt vor dem alten Mann und als er wieder feste Nahrung zu sich nehmen konnte, auch schnell eine eigene Wohnung......

  1. Super Geschichte, Meister. Besten Dank fürs teilen :-)

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  2. Hach, wenn das heute auch noch so einfach wäre, Idioten auf die richtige Bahn zu bringen oder zumindest zur Räson. Aber heute redet man ja lieber alles tot, hilft ja auch m,anchmal, naja hin und wieder...

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  3. hahahaha ein Klassiker, den Kopf ins Klo :'D

    Deine Außernandersetzung haste aber auch gut geklärt mit einem eleganten Abgang. =)

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  4. Ich mag dein Opa :)
    so einen hätte ich auch gerne gehabt

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  5. Ordentlich auf die Hirse. Das S****land wie es leibt und lebt, Bruder im Geiste und offenbar auch des Blutes. Woll.

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    1. Nix Sauerland. Soester Börde. Bis zum 15. Lebensjahr, dann wurde ich zwangsdeportiert nach HSK (Hilfe! Sie kommen!).
      Aber auf die Hirse gab es da auch....

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  6. Die direkte Einflugschneise zum Klo gab es auch in anderen Teilen des Landes. Ich lebte 1980 auf einem alleinliegenden Bauernhof im Allgäu, eine alternative Kommune samt Gemeinschaftsbett in 4 Meter Breite und mit selbst aus dem Wald gezerrtem Fichtenholz handbeheizten Kachelöfen. Unser Klo war auch unten auf der Diele, 10 Meter geradeaus vom Tor. Allerdings hatten die Kommunarden die Klotür ausgehängt und durch einen Vorhang ersetzt. Privatsphäre war verdächtig und Eigentum war Diebstahl.

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  7. Kannste das bitte noch editieren, Coolio? Weil vergessen: Beste Grüße aus Dortmund von Johannis

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    1. Sorry Johannis, ich kann nur löschen oder freigeben. Einer der Nachteile von Blogger.

      Kommune? Hört sich eher an wie ein Garantierezept für Konflikte.
      Solange die Mädels in der Überzahl sind, sehe ich da viel Potential
      für lustige Experimente. Da dies aber eigentlich nie der Fall ist,
      gehe ich mal vom Gegenteil aus.

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    2. Konflikte gab's natürlich auch, vor allem mit zwei Kölner Kampf-Lesben, die mehrere Monate auf Dauerbesuch waren. Wir Männer hatten zwar nicht immer die Hosen an, aber insgesamt war es eine gute Zeit.

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  8. Der eine Opa, den ich kennengelernt habe (der andere fiel irgenwo in Rußland) war zwar auch Bauer, doch den habe ich sehr früh hassen gelernt. Er war ein Säufer, und für den kleinen Dreikäsehoch, der ich damals war besonders schlimm, ein grausamer Tierquäler.

    Ich weiß, die Zeiten damals waren andere, aber z.B. einen frischen Wurf endniedlicher kleiner Kuschelkätzchen vor den Augen eines Vierjährigen in eine Plastiktüte zu stecken und lebendig zu vergraben, sorgt nicht gerade für Sympathie.

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    1. Andere Zeiten oder nicht, sowas macht man einfach nicht. Unnötige Quälerei.

      Meiner war glaube ich sogar in Stalingrad, ist aber heimgekehrt. Konnte ihn trotzdem nie kennenlernen. Der andere hat die Familie im Streit verlassen.

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    2. Mein Opa war Selbstversorger im wahrsten Sinne des Wortes. Da blieb es nicht aus, das so manches Vieh den Kopf verlor und dann zum Ausbluten im Keller am Haken hang. Meistens Hühner, Karnickel und ab und zu gabs auch mal ne Taube in die Suppe. Eine Katze (Peter) durfte ins Haus, die anderen 5-10 blieben draussen, wurden aber auch versorgt. Dazu gab es noch einen Dackel, der die Katzen auf Trab hielt.

      Bauer hin oder her, Katzen killt man nicht direkt vor den Kindern. Wir hatten immer so eine Gruselstory, das der Bauer gegenüber Hunde- und Katzenbabies erwürgt und dann den Schweinen zum Fraß vorwarf. Gesehen haben wir das aber nie.

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    3. Stimmt absolut!
      Nutztiere zu schlachten und zu verwerten ist eine Sache, aber auch dabei sollten keine kleinen Kinder anwesend sein, wenn sie bereits einen persönlichen Bezug zum jeweiligen Tier haben.

      Außerdem ist es ein abolutes Nogo, Tiere, ganz gleich ob zur Verwertung vorgesehen oder nicht, völlig unnötig zu quälen.

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    4. Naja, besonders bei den Karnickeln war es nicht immer leicht "Abschied" zu nehmen. Aber dank eines fleissigen Rammlers war ja immer für flauschigen Ersatz gesorgt. Wenn ich so darüber nachdenke, haben meine Grosseltern fast den ganzen Tag damit verbracht, irgendwelche Nahrung zu ernten und zu verarbeiten. Wenns Erbsensuppe geben sollte, ging meine Oma in den Garten und pflückte Erbsen. Die Kartoffeln gabs aus dem Kartoffelkeller. Mein Opa ging in den Keller und machte selbst Wurst aus einer zugekauften Schweinehälfte und schnitt Speck zurecht. Selbst den Nachtisch (z.B.: eingemachte Birnen oder Apfelmus) gabs aus dem eigenen Garten. Und wehe, es wurde nicht alles aufgegessen! Heute geht man in den Laden, kauft irgendeinen degenerierten Mist, voll mit Pestiziden und was übrig bleibt, oder man einfach nicht runter bekommt, wird einfach weggeschmissen.

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    5. Es geht doch nichts besseres, als frisch geerntete Erbsen, direkt aus der Schote. Mal gut, dass ich bloß einen Steinwurf vom "Alten Land" enfernt wohne.

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    6. Selbst gezüchtete Tomaten sind auch sehr gut. :-) Leider schon lange nicht mehr gegessen. Die vom Supermarkt schmecken hauptsächlich nach Wasser...

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