Just another day in paradise (part 2)

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Eikaiwa des Teufels

Ich möchte hier erstmal etwas umfangreicher auf den Kommentar meiner lieben Bloggerkollegin „Zoomingjapan“ antworten: „Bist du sicher, dass das eine Eikaiwa war und kein Puff? Wie du ja sicher weißt, arbeite ich schon seit Jahren als Eikaiwa-Lehrer und sowas habe ich noch nie erlebt. Und ich meine damit, ALLES, was du erwähnt hast! Naja, Großstädte halt.“

Nun ja, ich will hier ganz sicher nicht alle Eikaiwas ueber einen Kamm scheren. Sicher gibt es auch gute. Irgendwo. Ich beziehe mich hier auf meine Erfahrungen im Grossraum Tokyo. Und hier sind, selbst mit grossem Wohlwollen, 90% aller Eikaiwas scheisse. Sorry, starkes Wort. Aber das trifft es wohl am besten. Du, meine liebe Zoomie, bist 1. Eine weibliche Gaijin. Das impliziert eh schon die allergrössten Probleme, hier überhaupt irgendwelche Kontakte zu knüpfen. Und 2. Lebst du im tiefsten Inaka. In deiner relativ beschaulichen Stadt gibt es vielleicht eine Eikaiwa auf, sagen wir mal, 10 Quadratkilometer. Hier im Grossraum Tokyo-Yokohama, in dem 40% aller Japaner leben, gibt es 10 Eikaiwas auf einem Quadratkilometer! Eigentlich gibt die Eikaiwa-Situation nur allzu gut den Zustand des ganzen japanischen Schulsystems wieder.

Mal als Denkanstoss:

In Deutschland haben Kinder mindestens 6 Jahre Englischunterricht und wenn sie aus der Schule kommen, sprechen sie als Zweitsprache Englisch. Sicher, bei weitem nicht perfekt, aber sie können sich ohne Probleme auch im Ausland verständlich machen. In Deutschland gibt es kein mit den Eikaiwas vergleichbares System. Zumindest ich hab in Deutschland noch nie von reinen Englischschulen gehört. Klar gibt es Kurse, z.B. an der Volkshochschule, aber die werden von ECHTEN Lehrern geführt.

In Japan haben die Kinder auch mindestens 6 Jahre Englischunterricht, gehen aber zusätzlich praktisch alle nach dem normalen Schultag noch in eine Juku (Nachhilfeschule), lernen dort auch nochmal Englisch und kommen dann Abends um 20 - 22 Uhr nach Hause. Trotzdem sprechen die meisten dieser Kinder nach all dieser Zeit kaum Englisch. Von Verständigung auf Auslandsreisen können sie nur träumen.

Ein anderer Vergleich: An japanischen Mittelschulen haben die Kinder praktisch jeden Tag Sport. Und nein, nicht so ein Pussysport wie in Deutschland, sondern echt hartes Training. Im Sommer in der glühenden Hitze. Trotzdem gibt es kaum Sportarten, bei denen Japan besonders heraussticht. Ich rede jetzt von richtigem Sport, nicht von Baseball, das nur in 3 – 4 Ländern gespielt wird. Und sorry, aber wenn das Spiel zu 90% aus Sackkratzen, Spucken und dumm rumstehen besteht, ist es für mich kein Sport. Noch ein Beispiel: Praktisch ganz Japan spielt Golf. Viele meiner Kollegen sogar mit Obsession jedes Wochenende. Familie? Egal! Und nun nennt mir nur EINEN international an der Spitze mitspielenden japanischen Golfspieler. Und kommt mir jetzt nicht mit Ryo Ishikawa. Der darf zwar international mitspielen, läuft aber immer unter „ferner liefen“ und macht lieber Werbung fuer Antipickeltinktur.

Könnt ihr mir folgen? Wird euch klar, worauf ich hinaus will?

Und trotz dieser miserablen Situation im Bildungssystem, kommen die japanischen Politiker mit so einer Lösung um die Ecke:

Politiker A: „Du Yoshi, das Englisch der japanischen Kinder ist scheisse. Da müssen wir jetzt echt mal was tun!“
Politiker B: „Na toll! Das ist ja wirklich superwichtig! Und dafür weckst du mich mitten in der Plenarsitzung auf? Aber eigentlich hast du ja recht, Toru. Lass uns doch arbeitslose Lehrer aus aller Herren Länder holen. Also qualifiziert müssen sie natürlich sein. Logo!“
Politiker A: „Nah! Die sind doch viel zu teuer! Warum holen wir nicht stattdessen einfach JEDEN rüber, der in einem englischsprachigem Land geboren ist? Bildung? Lehramt studiert? Erfahrung? Psychisch stabil? Pfft! Wozu? Das ist doch nur was für Pussies!“
Politiker B: „Hm, das macht echt Sinn und so. Deal?“
Politiker A: „Deal!“

Und so wurde dann das JET-Programm (googelt gefälligst selber! Faule Bande!) mit all den Eikaiwas ins Leben gerufen. Ein gigantomanisches Riesengeschäft! Und ruckzuck wurde Japan von einer wahren Schwemme von englischsprachigen Mittelschuleabsolventen, Studienabbrechern, Soldaten a.D. und sonstigen „qualifizierten“ Lehrern überschwemmt. Ich erinnere nur an die glorreichen Zeiten von „Nova“. Dazu lassen sich Tonnen von Spott und Häme im Netz finden. Und Nova war noch eine grosse Organisation, mit einigermassen ausgearbeiteten Standards. Und trotzdem war es nichts weiter als eine riesige Abzockmaschine. Die Schüler wurden abgezockt und die Lehrer auch. Trotzdem kamen Scharen von jungen Amerikanern, Aussis und Briten ins Land. Warum auch nicht? Können sie doch hier in Japan trotz nicht vorhandener Bildung, in einer Eikaiwa locker 2000 – 2500 Dollar im Monat verdienen. Davon können sie in ihren Heimatländern, in denen sie (wenn überhaupt) meistens als „Chiefexecutiveshopmanagerassistant 2. class“ bei Walmart oder MacDonalds oder sonstigem Gelumpe gearbeitet haben, natürlich nur träumen. Die Arbeitszeiten in den Eikaiwas sind einigermassen ok, irgendwelcher Einsatz ist nicht nötig und die Mädels stehen Schlange. Ein Traum! Naja, für die nach Englischbildung lechzenden japanischen Schüler wohl eher ein Albtraum.......


To be continued........

  1. Nu ja, wo er Recht hat hatter Recht! Obwohl .....

    Die, die als ALT hier rueberkommen sind ja nicht wegen des unterrichtens hier, sondern um ihren Hobbies und Vergnuegen zu froenen!

    Schueler interessieren mich nicht, ich geh abends auf die Rolle, komm morgens halb-schicker in die Schule, verp... mich so frueh nach Hause wie es nur geht, geniesse billige Frenreisen in asiatische Nachbarlaender und nach 2 oder 3 Jahren geh ich zurueck in die USA, nach Australien oder wohin auch immer und kann "Auslandserfahrung" nachweisen.

    Auch ich will nicht alle ueber einen Kamm scheren, aber in 85 bis 90% der Faelle duerfte der Nagel auf den gewissen getroffen sein.

    Logo, ich habe als "Dauer-ALT" hier keine Karriere vor mir, bedauere ich aber nicht. Ich bin fuer die Schueler auch im "Nicht-Unterricht" verfueg- und ansprechbar, der Job macht mir Spass und ich sehe ihn nicht als Sprungbrett an.

    Was das japanische (Englisch-)Bildungssystem angeht, da habe ich mich genug drueber aufgeregt, kann es aber weiter nicht aendern.

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    1. Na siehste! Sind wir uns mal wieder fast vollkommen einig. Was mich nicht überrascht, weil: so sieht es eben aus! Da gibts nix zu rücken und zu drücken. Karriere hin oder her, ein Job soll ja auch Spass machen. Und wenn du da zufrieden bist, dann freut mich das ganz ehrlich. So, oder so ähnlich wird es sich ja bei Zoomie auch verhalten. Hoffe ich......

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  2. Hmm, hatte einen Kommentar geschrieben und beim Abschicken bekam ich eine Meldung, dass ich mich einloggen muesse bei Wordpress (Kein Problem) - nur dass dabei mein Kommentar geloescht wurde und jetzt habe ich keine Lust mehr :/

    Nur kurz gesagt: Japanische Politiker sind faule Sesselfurzer, die es auch nach 50 Jahren und viel viel verschwendetem Geld nicht auf die Reihe bekommen haben, eine vernuenftige oeffentliche Englischausbildung hinzubekommen.

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    1. Tja mein guter, das mag daran liegen, das dieser Blog hier gar nicht bei Wordpress läuft. Aber mal im Ernst: Dein ausführlicher Kommentar als direkt Betroffener hätte mich schon brennend interessiert.

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  3. Juchuu! Mein Name wurde genannt!
    Jetzt bin ich eine Berühmtheit! Also, für Autogramme bitte hinten anstellen! *g*

    Was hier über ALTs gesagt wurde, kann ich so unterschreiben. Natürlich trifft das nicht auf ALLE zu, aber ich würde behaupten, auf die Mehrheit!
    Und nicht nur auf die ALTs, sondern auch auf viele, viele Eikaiwa-Lehrer. Ich könnte euch da Geschichten erzählen ....
    Was ich schon an Arbeitskollegen/innen hatte, das glaubt man echt nicht!!
    Ich war auch schon dafür zuständig, neue Lehrer zu rekrutieren und wenn man mal sieht, "was" sich da so alles bewirbt, würde man den PC am liebsten aus dem Fenster schmeißen!!!!

    Mir macht der Job einfach Spaß und es passt auch genau zu dem, was ich studiert habe (sonst hätte ich den Job bzw. das Visum auch gar nie bekommen), allerdings trifft das auf die meisten Eikaiwa-Lehrer nicht zu - und das merkt man auch! :( .....

    Und es gibt in der Tat sehr viele Probleme - auch in den kleinen Eikaiwas hier auf dem Land! Allerdings sind die wohl von anderer Art als die, die du beschrieben hast!

    (P.S.: Ich habe so langsam das Gefühl, dass ich kein Deutsch mehr kann ...)

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    1. Ach komm, gegen deinen Blog kann ich doch gar nicht anstinken. Schon allein, weil du in Englisch bloggst, das ja in allen anderen Ländern gelesen werden kann. Naja, ausser Japan natürlich. Und damit du auch gleich mal sehen kannst, was es in einer Big-T Eikaiwa sonst noch so Probleme gibt, hab ich (fast) nur für dich auch noch einen 3. Teil geschrieben. Stay tuned....

      P.S.: Hst du eigentlich mitbekommen, ob man jetzt noch das "ß" benutzt? Irgendwas war da doch mal......

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    2. Ich glaube, man benutzt das geile .. äh .. scharfe S jetzt gar nicht mehr, aber da fragst du die Falsche! ;)
      Ich habe so das Gefühl, dass ich der deutschen Rechtschreibung kaum noch mächtig bin.
      Und jedes Jahr, das ich länger hier in Japan bin, wird es schlimmer! :(

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    3. Außer wenn man außer schreibt z.B.. Und es gibt sicher noch einige Fälle die mir jetzt nicht einfallen. :-)

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    4. Ich schreibe zu 90% auf US- oder J-Tastaturen, außer in solchen Fällen wie jetzt, wo ich mir mein Netbook mit in den Futon nehme, weil der Kleine noch schläft. Und schnarcht wie ein bulgarischer Minenarbeiter.......
      Ich habe mal gesehen, das viele Leute in dem Fall statt "ß" oder "ss" dann "sz", also z.B. "auszer" schreiben, aber ich finde , das sieht voll beknackt aus. Dann schreib ich's lieber falsch. Nicht das es heutzutage noch vielen auffallen würde...
      Ich bemühe mich schon, die Rechtschreibung einigermaßen einzuhalten, gebe aber gern zu, das dies nicht meine allerhöchste Priorität ist. Ich lese nach dem Erstellen eines Posts nochmal kurz drüber und gut ist. Das ganze soll ja in einem vertretbaren Rahmen bleiben.

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    5. (Num+)Alt+225 geht auch.

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  4. Ich kann dem Artikel in einem Punkt nicht zustimmen:

    1.) Das JET-Programm ist eindeutig nicht dazu da, um die Qualität des Englischunterrichts zu heben. Sondern mit dem Ziel gegründet, um Japaner mit Ausländern bekannt zu machen. (Wie sinnvoll das ist, ist eine andere Frage).
    2.) Spracherziehung, bzw. Fremdsprachenkenntnisse interessieren in Japan _keine Sau_. Nobody gives a shit if you can speak English. Es interessiert niemanden, im Alltag. Und es geht ja auch so; Toyota stellt dann da einfach jemanden ein, der die Handbücher übersetzt. Die Spracherziehung ist nicht so schlecht, weil man's nicht besser könnte, sondern weil es niemanden interessiert, ob man eine Fremdsprache kann, oder nicht.
    Ich weiß, das ist für Europäer, die mit dem Gedanken aufgewachsen sind, dass Fremdsprachenkenntnisse verbinden, Völker zusammenbringen, Europa zusammenbringen und stark machen, und mittelbar vielleicht sogar Kriege vermeiden, weil sie das Verständnis zwischen Völkern verbessern, kaum zu fassen. Aber das sind alles Gedanken unsere Bildungsbügertums. In Japan interessiert das keinen. In Japan interessiert auch Bildung als Selbstziel, ohne jeglichen ökonomischen Gedanken, kaum jemanden.
    Klar gibt es ein paar Japaner, die was von der Welt sehen wollen, aber das ist die Minderheit.
    3.) Der Englischunterricht an japanischen Schulen ist, wie 90% aller anderen Dinge, im Prinzip nur Vorbereitung auf einen weiteren Teil des University-Entrance-Exam, also eine Art auszusieben und den Zugang zu (guten) Universitäten zu limitieren. Ist somit quasi völlig austauschbar mit jeglicher anderen Sprache oder Disziplin. Die könnten auch griechische Geschichte nehmen, hätte den gleichen Effekt, und verdeutlicht die absolute Beliebigkeit.

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    1. @umij
      He, das waren aber 3 Punkte......
      Ist ja alles richtig. Aber wozu holen sich die Japaner Ausländer ins Land, wenn sie sich nicht mit ihnen unterhalten können/wollen? Und warum holen sie sich dann nicht deutlich qualifiziertere Leute ins Land? Man könnte ja z.B. auch (Revolution!) mal ein sinnvolles! Schüler- und Studentenaustauschprogramm installieren. Was ich hier an den Unis gesehen habe, spottet jeder Beschreibung. Naja, du weisst es ja selbst. Also ich finde ja, wenn "Ingenieure" (tut mir leid, aber wenn es um J-Ingenieure geht, kann ich das nur in Gänsefüsschen setzen....) die an Atomkraftwerken oder chemischen Grossanlagen rumfummeln, nur ein: "Herro, ei em a endschiiniir" rauskriegen und das wars dann, dann stimmt doch etwas grundsätzlich nicht. Ich hab mit Topleuten aus diesen Bereichen am Tisch gesessen und die haben mich gar nicht beachtet, aus Angst Englisch sprechen zu müssen, sondern haben mit meinen "Salarimen" geredet, die von nix ne Ahnung haben, ausser wie man aus Seizeria-Servietten ganz tolle Figuren falten kann. Das ich UNTER ANDEREM auch Japanisch drauf habe, ist denen gar nicht in den Sinn gekomment, obwohl ICH lt. Visitenkarte der Obermacker bin und die Entscheidungen treffe. Ja, man muss sie einfach liebhaben......

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    2. äh, ja, zählen kann ich halt nicht, deswegen wäre ich ja auch fast Mathematiker geworden; in Eile geschrieben.

      Ich wollte da jetzt eigentlich noch eine längere Antwort drauf schreiben, verweise stattdessen aber auf ein längeres Blogposting, was in den nächsten Tagen kommen wird.

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  5. Ich muss jetzt mal das Jet-Programm ein wenig in Schutz nehmen, da es meiner Meinung nach noch eines der besseren Programme dafür (also um englisch-sprachige Ausländer zum Unterrichten ins Land zu holen) ist. (Bewerben kann man sich übrigens nur mit Uni-Abschluss ;)). Die Leute sollen ja eigentlich auch nicht wirklich unterrichten, sondern den "richtigen" (japanischen) Englischlehrer (der selbst kaum Englisch kann!!) im Unterricht unterstützen und den Kindern (meistens mitten im Inaka) die Möglichkeit geben, mit einem Ausländer in Kontakt zu kommen.
    Natürlich müsste man aber dennoch erstmal den kompletten (Sprach-) Unterricht in Japan einmal umkrempeln, um das Englisch-Niveau anzuheben, anstatt wahllos ALTs einzustellen, da gebe ich dir Recht...

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    1. Hm, auch richtig. Aber leider wirst du JET's eben kaum in EIkaiwas finden. Wenn, dann nach Abschluss des Programms. Und ein "Uni"-Abschluss in z.B. Economics hilft dir beim Englischlehren auch nicht weiter. Über die Qualität von US-Bachelorabschlüssen möchte ich mich hier erst gar nicht auslassen. Und was sie in Japan sollen, wenn sie eh nur als Tanzaffen in der Klasse dabei sein dürfen, erschliesst sich mir auch nicht. Das Ergebnis all dieser Bemühungen kann man sehr leicht an irgendeiner beliebigen Mittelschule sofort nachprüfen = Kaum ein Kind kriegt mehr als 2-3 englische Phrasen raus. Wenn es vernünftige, ausgebildete Englischlehrer gäbe, bräuchte es auch nicht die ganzen Eikawas. Denn das es die gibt, ist NUR dem Versagen des Staates anzulasten. Das gleiche gilt für die ganzen Jukus (Nachhilfeschulen). Was für ein Wahnsinn.....

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