Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund.....

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Der Sommer neigt sich dem Ende zu. Nein, das merkt man nicht so sehr an den Temparaturen, die tagsüber immer noch locker 23-25 Grad erreichen, sondern am Mottenkugelgestank in der Bahn. Laut Kalender ist jetzt Herbst, also muss man jetzt Winterklamotten tragen. Punkt, fertig, aus. 

In den letzten 2 Wochen war ich auf Biztrip im tiefsten Inaka (googelt gefälligst selber.....), irgendwo in den Bergen von Saitama. Es gibt dort kein Businesshotel, also mussten wir in einem Spahotel uebernachten, was die Sache deutlich angenehmer machte. Was mich immer wieder verwundert, sobald ich aus Big-T raus bin: Die Inakaleute (also Leute vom Dorf) sind viel freundlicher, stressfreier und auch lässiger im Umgang mit uns Gaijin. Ja, da freuen sich die Leute noch, wenn man ein bisschen Japanisch raushaut und kriegen sich kaum wieder ein. In Tokyo kriegt man meistens ne Antwort auf Engrisch. Wenn überhaupt. Selbst Frauen sprechen einen in Inaka mal aus eigener Initiative an. In Tokyo fast unmöglich. Und wenn dich in Big-T eine anspricht, dann willst du das nicht. Glaubs mir.

Aber ich verheddere mich wieder in Unwichtigkeiten. Obwohl es ja grad diese sind, die das Leben so lebenswert machen. Wenn ihr also auf einen politisch engagierten Text hofft: Verzieht euch, aber flott!


Donnerstagabend im örtlichen Konbini. "Oha, der Whiskey kostet hier nur 10 Euro die Pulle! Echter XYZ! der kostet aber in (Hier selbst Land mit schwacher Währung eintragen.....) noch (Hier selbst schwache Währung eintragen. Z.B.: Euro...)! Da nehmen wir doch gleich für jeden eine Pulle!" Und so nimmt das Übel seinen Anfang. 3 Typen aus Ländern wie sie unterschiedlicher nicht sein können, sind vom Kunde zum Karaokeabend eingeladen worden und natürlich muss man vor dem Gesinge erstmal ordentlich vorglühen. Klare Sache.

Ich erspare euch mal die Einzelheiten, aber wenn sich ein besoffener in Kanada lebender Pole, ein besoffener in Japan lebender Deutscher und ein in Japan lebender, aber bei einer deutschen Firma beschäftigter besoffener Japaner über den 2. Weltkrieg unterhalten, dann kann es "hoch" hergehen. Um es mal zu untertreiben....

Wenn sich aber diese 3 danach noch zum Karaoke mit ihren japanischen Kunden treffen, ist das Disaster vorprogrammiert. Ok, da ist zum einen die 25jährige japanische Chemieingenieurin, Spitzname "Fass misch net an!", dann der Manager der jap. Abteilung "Ich lache nur, wenn meine Olle vom Balkon stürzt." und der Senior Ingenieur ala: "Ich hasse alles", ein paar mir unbekannte OL's (Office Ladies), 3-4 Schmocks in Salariman-Uniform und  ..... naja ...... 3 total besoffene Gaijin. Hey! Die Party kann abgehen!

Programmpunkt Nr.1: Erst wird alles von SMAP gesungen. Wir Unwissenden summen alles lustlos mit und fügen schon mal -zur Freude aller Anwesenden- ein "fuck that bullshit!" ein. Aber holla! Nein, wir werden nicht Moskau oder 99 Luftballons singen. Auch nicht sturzbesoffen. Das muss zwischen Polen, Deutschland und Japan demokratisch abgestimmt werden: "He, Dudes! Lasst uns doch Phil Collins, "Against all odds" singen." Ok, demokratisch abgestimmt: 1. Wer zur Hölle ist Phil Collins? (Polen), 2. Das hört sich schwul an (Japan) und 3. He, der hat ne Glatze, also könnt ihr das auch singen, ihr Tranlappen (BRD)! Ergebnis: Na klar singen wir die Schnulze.

Gleich vorweg: Tut es nicht! Besonders nicht ausserhalb grosser Städte, oder alle Inakaschnallen wollen mindestens 4 Kinder von euch! Ich hab dann noch vorgeschlagen "Fuck me pumps" von Heroine Winehouse zu singen, was leider einstimmig abgelehnt wurde. Also haben wir zur Krönung noch "I'll never stop." von N'sync zum besten gegeben. Und das wurde wörtlich genommen. Was? Das kennt ihr nicht? Scheiss drauf, die kannten es auch nicht.

Und dann ....... Ja und dann haben wir mit Boney M angefangen. Warum zur Hölle kennen selbst 25jährige Japanerinnen Lieder von Boney M? Ich mein, da stimmt doch grundsätzlich was nicht! "Brown girl in the ring." Acapella gesungen von japanischen Ingenieuren ....Wtf??? Nach meinem grandiosem Solo "My cherie amour." war der Abend besiegelt. Das Wrack rollt bergab und leider sind die Bremsen kaputt. Wie immer. 

Holy fucking bullshit! Boney M!

Freitagmorgen, 7 Uhr. Der Hotelwecker brüllt mich zurück in die Matrix. Ich liege komplett angezogen neben dem Bett. Ich hab es nicht mal geschafft die Schuhe auszuziehen. Mit letzter Kraft öffne ich meinen total verklebten Mund. Plopp! Mein Brillengestell sieht aus wie eines dieser "Kunstwerke" die irgendwelche Spinner aus Müll zusammenlöten. Das letzte woran ich mich erinnern kann ist, das "Fass misch net an!" mit einer Pulle Baileys ankam und ich wohl mindestens 90% davon allein vernichtet habe. Oh Jesus! Bitte nicht! Schneller Blick aufs Bett: Leer. Gut! Keine Sperma-, Blut- und Kotspuren zu sehen. Offensichtlich hab ich allein geschlafen. Glück gehabt! 

So, auf gehts! Klamotten hab ich ja schon an. Schnell aufs Klo, aus allen vorhandenen Körperöffnungen den nur teilweise umgewandelten Mageninhalt loswerden, kurz durchs Gesicht kratzen und auf gehts in die Lobby. Ein neuer Tag beginnt. Yosh!

P.S.: Warum kennt eigentlich kein einziger Japaner den Song "Don't stand so close to me." von The Police?



  1. Wer ist "Boney M" oder "The Police"? Kenn ich nicht.
    Baileys dagegen könnte ich Fässerweise trinken ^^

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  2. Ich hab noch nie in einer Großstadt in Japan gelebt.
    Will ich auch gar nicht.
    Ich lebe seit Angebinn der (Japan)zeit nur im Inakaland.
    Hab verschiedene Inakas durch.
    Kann nicht genau sagen, ob der Umgang mit "Gaijin" so großartig anders ist als in der Großstadt. Ich kenn's kaum anders.

    Äh ja ... wenn viele Nationen aufeinander treffen und dann gemeinsam zum Karaoke gehen, das kann in der Tat sehr lustig werden.
    Japaner sind aber auch immer so schnell betrunken ... da komm ich als zierliche Deutsche gar nicht hinterher. Wieso vertragen die bloß so wenig???

    Ähm ... ich sing am liebsten spanische Lieder beim japanischen Karaoke. Ist doch ganz klar.
    Nein, dahinter steckt überhaupt keine Logik.

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    1. Naja, ich will auch lieber in Inaka leben. Am besten irgendwo in Kagoshima. Leider gibt es dort kaum Arbeit für Leute wie mich. Und ich könnte meinen Sohn nicht so oft sehen wie wir beide das wollen. Mein Plan ist, mir als Rentner irgendwo ein kleines altes Haus zu kaufen und die Restauration zur Restlebensaufgabe zu machen, unterbrochen von Segeltouren im eigenen kleinen Boot. Dauert ja nicht mehr sooooo lange.....

      Hm, allzu große Auswahl an deutschen Liedern gibt es in den typischen Karaokekatalogen ja nicht so. Meistens wirklich nur "99 Luftballons" und "Moskau". Ich bin ja immer wieder erstaunt was für eine tolle Singstimme die meisten Japaner haben. Wenn sie auch sonst nix können, singen können sie. Komischerweise gefallen mir dagegen die Singstimmen der meisten J-Popkünstler überhaupt nicht. Hört sich fast alles gleich nasal an.

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    2. Echt schade. Wäre sicher auch mal eine Erfahrung! ^-^

      Ahahaha~
      Ich hab sogar mal Rammstein Songs gefunden und als alter Fan konnte ich nicht dann auch nicht anders. *g*
      Stimmt. Es scheint fast so als ob ALLE Japaner ausnahmslos singen können.
      Ich kann es gar nicht, aber wenn man ein bißchen was getrunken hat (also die anderen, nicht ich) lässt sich mein Gekrächze schon ertragen!! ^-^;;

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  3. Wir wollen Beweise! Also ohne Video geht das ja gar nicht durch. Oder jedenfalls ein Bootleg (ist der Begriff überhaupt noch geläufig?). Komm - irgendwas wird doch noch auf deinem iPhone drauf sein. ;)

    Ansonsten: Karaoke wäre für mich aber eine Sache die gar nicht geht. Nichtmals mit einem Alkoholpegel der schon lebensbedrohlich wäre.

    Und: Baileys mit Sambuca kommt gut (vorsichtig halb/halb eingießen - also in das Glas), in deinem Fall wäre es aber wohl zuviel des Guten ...

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  4. Wie reagieren Japaner eigentlich, wenn man auf so einer Afterwork-Party keinen Alkohol trinkt? Nicht, weil man nicht will, sondern weil man ihn nicht mag? Werden dann alle geschäftlichen Kontakte abgebrochen?

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    1. Die Antwort macht mir jetzt irgendwie ein wenig Angst...

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    2. Naja, wahrscheinlich werden sie dich fuer schwul halten. Zum Ausgleich kannst du aber immer noch Kettenrauchen und beim Essen furzen und roelpsen. Oberlippenbart und Golfhose helfen evtl. auch.....

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  5. Damit ich singe, müsste ich ja sowas von straff sein. Dieses Karaokse ist mir sehr suspekt. :>

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    1. Mir wäre es viel lieber wenn die Zuhörer voll bis Oberkante Unterkiefer wären. Meine Gesangsstimme unterliegt dem Kriegswaffenkontrollgesetz und schlägt nicht nur meine Feinde in die Flucht.
      Ich hätte aber auch ne Ausrede parat, warum ich keinen Alk trinken kann/darf.

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    2. Das ist wohl so eine Art Volkssport da. In einem Shinkansen gab es sogar mal in so einem Billigkatalog ein "Karaoke für nach 22h" bzw. "Saugglocke zum Reinsingen".
      Echt praktisch um die Nachbarn nicht zu stören und wenn man schon ein paar Promille drin hat. Siehe:
      http://olivers-playground.de/temp/Bild4.jpg

      Und wie ich das bisher verstanden habe, ist es wohl eine seeehr schlechte Idee bei einem geschäftlichen Treffen nicht mitzuziehen. Da kann Coolio aber bestimmt einiges zu sagen (würd mich echt mal interessieren).

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    3. Bwahahaha! Und ich dachte bis jetzt, das Ding ist eines dieser perversen Sexspielzeuge, die praktisch jeder Japaner in seiner Bude rumfliegen hat! Um, da muss ich mich wohl bei meiner Nachbarin entschuldigen....

      Ja, stimmt schon. Wer bei Geschaeftsessen nicht mittrinkt, hat eigentlich nix zu melden. Kleiner Tip: Bestell dir Ulontee mit Eis und behaupte einfach es ist ein Highball. Hat bei mir bisher immer funktioniert, wenn ich aus irgendwelchen Gruenden ausnahmsweise mal nuechtern bleiben wollte. Evtl. kannst du auch einen echten Highball runterwuergen (Hat weniger % als Wick Medinight....) und das Glas dann unauffaellig immer wieder mit mitgebrachtem braunen Tee auffuellen. Funzt immer!

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    4. Das Mittrinken ist nicht das Problem. Das singen, das macht mir sorgen!

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